„Ein inhärenter Bestandteil der Care-Arbeit ist die unsichtbare mentale Last, die Sorgende tragen.“

 

Care-Arbeit ist die Summe aus bezahlter und unbezahlter Arbeit, die reproduktive Tätigkeiten jeder Art umfasst. Dazu gehören die Erziehung, Ver- und Umsorgung, Betreuung und Bildung von Kindern, die familiäre und professionelle Pflege von Angehörigen, Nachbar*innen und Freund*innen, die Altenpflege, die Hilfe zur Selbsthilfe und emotionale Zuwendung in Gemeinschaften und Instandhaltungsmaßnahmen aller Art. In einem Haushalt gehören dazu  auch Kochen, Putzen und Reparaturen. Ein inhärenter Bestandteil der Care-Arbeit ist der sogenannte „Mental Load“, also die unsichtbare mentale Last, die Sorgende tragen. Damit sind alle Planungs- und Organisationsprozesse, das Delegieren von Aufgaben, Entscheidungsfindungen und das Antizipieren von Bedürfnissen gemeint, die in der Familie oder Gemeinschaft anfallen. Im Grunde also all das, was für ein ganzheitlich funktionsfähiges, soziales Gefüge notwendig ist. Denn nicht nur im privaten Umfeld einer (Wahl-)Familie ist Care-Arbeit überlebenswichtig: Jedes Kollektiv, jede Gruppe und jede Organisation und Institution sind explizit und implizit auf sie angewiesen.

© Eidgenössische Kommission dini Mueter (EKdM)

Dass FLINTA die Sorgetragenden sind, also die, die Fürsorge für Mitmenschen und die Gemeinschaft übernehmen, sich um den materiellen und immateriellen Erhalt von Strukturen und Räumen kümmern, ist Fakt. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist klar, dass bezahlte Sorgearbeit – zum Beispiel im Pflegesektor – überproportional von FLINTA verrichtet wird. Die Arbeitsagentur veröffentlichte 2022 eine Statistik, die zeigte, dass im Pflegebereich etwa vier von fünf erwerbstätigen FLINTA sind. Bei der unbezahlten Sorgearbeit  im privatem Bereich sieht es ähnlich aus: Laut eines Berichts des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wenden Frauen pro Tag durchschnittlich 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. Diese ungleiche Arbeitsverteilung im privaten Haushalt nennt sich „Gender Care Gap“.

Was haben der Gender Care Gap und der Gender Pay Gap miteinander zu tun? 

Dass Berufe, die mit körperlicher und geistiger Sorgearbeit einhergehen, traditionell von FLINTA verrichtet werden, resultiert unter anderem im Gender Pay Gap – die  strukturelle Lohndiskriminierung aufgrund des sozialen Geschlechts. Denn Tätigkeiten, die von FLINTA verübt werden, sind oft besonders schlecht bezahlte Sektoren auf dem Arbeitsmarkt oder im Niedriglohnsektor. Zum Gender Pay Gap gehört, dass FLINTA seltener befördert werden, weniger Führungspositionen innehaben, geringere Löhne für die gleiche Tätigkeit bekommen und allgemein weniger verdienen. So verdienten 2022 Frauen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich rund 18% weniger pro Stunde als Männer. Auch der Gender Care Gap – die unbezahlte private Sorgearbeit – führt zu erheblichen Unterschieden. Bezüglich der Erwerbsfähigkeit, sind Frauen häufig diejenigen, die im Zuge der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ihr Erwerbsleben einschränken müssen, die in Mutterschutz gehen und in Teilzeit arbeiten, um die Kinder halbtags betreuen zu können. Das führt wiederum dazu, dass Frauen, aber auch nicht-binäre sowie agender, inter und trans Personen überdurchschnittlich von Altersarmut betroffen sind, da sie weniger in die Rentenkasse einzahlen. Wer meint, dass mit der Etablierung des Home-Offices während der Pandemie Entlastung in heteronormativen Beziehungen einher kam, täuscht sich: Es waren wieder ein mal Frauen, die die Doppelbelastung aus Remote-Work und Kinderbetreuung zu Hause trugen. Davon abgesehen führt auch der dauerhafte Mental Load zu weniger Konzentrationsvermögen und zu psychischer Mehrfachbelastung.

 

„Gerade, wenn wir die Ungleichheiten in geleisteter Kümmer- und Versorgungsarbeit genauer beleuchten, wird klar, wie enorm die Ausmaße sind.“

 

Ob auf der Arbeit (wer wischt den Tisch nach dem Mittagessen ab? Wer checkt ein und sorgt sich um den Teamzusammenhalt?), in aktivistischen Kontexten (Wer macht die KüfA? Wer erklärt Neuzuwachs, wie die Struktur funktioniert?), in einem neuen Projekt (Wer denkt alle Eventualitäten mit? Wer sorgt für Transparenz und Austausch?) oder mit Freund*innen im Urlaub (Wer verteilt die Sonnencreme? Wer kümmert sich um Snacks?) – Sorgearbeit ist überall und überall wird sie vor allem von FLINTA getragen.

Der „Equal Care Day“ soll ein Zeichen setzen, wie unfair die Fürsorgearbeit in heteronormativen Beziehungen ist und wie wenig Wertschätzung den Betroffenen immer noch entgegengebracht wird. Die Festlegung auf den 29. Februar, der als Schalttag nur alle 4 Jahre stattfindet und in den Jahren dazwischen übergangen wird, weist auf die Unsichtbarkeit der Care-Arbeit hin. Der Tag symbolisiert außerdem das Verhältnis von 4:1 bei der Verteilung von Care-Arbeit, denn Frauen leisten viel öfter Care-Arbeit als Männer. Diese bräuchten rechnerisch etwa vier Jahre, um so viel private, berufliche und ehrenamtliche Fürsorgetätigkeiten zu erbringen wie Frauen in einem Jahr.

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