Feministische Familiensprechstunde von Josephine Apraku

Es ist Nacht, ich schlafe. In meinem Hirn blitzt ein Gedanke auf, den ich nicht fassen kann, – nicht sofort zumindest. Ich werde wach. Dann ist da in meinem Kopf die Frage: „Ist das Rauch?“ Ich atme tief ein, – es ist Rauch. Woher kommt er? Ich setze mich im Bett auf, atme noch mal tief ein und dann noch mal. Ich trete ans Fenster, sehen kann ich nichts. Der ganze Hinterhof wird von Rauchschwaden regiert, deren Herkunft mir unklar bleibt. Ich denke an August 2018 zurück, ich war schwanger damals. Der Wind hatte den Geruch des Rauchs von einem Waldbrand bei Treuenbrietzen bis in die Stadt getragen. Der Gedanke an diese Nacht beruhigt mich, denn der Brand damals war weit entfernt. Dieser hier ist es nicht, aber er scheint auch nicht aus meinem Haus zu kommen.

Ich nehme das Handy zur Hand und schaue, wo es bei mir in der Gegend brennt. Ein paar wenige Eingaben später erfahre ich, dass knapp 100 Feuerwehrkräfte bei mir um die Ecke im Einsatz sind und, dass das Haus, in dem das Feuer um sich greift, inzwischen unbewohnbar geworden ist. Ich denke an die Menschen, die in diesem Haus lebten, von dem ich weiß, dass die Miete noch bezahlbar war. Ich frage mich wo sie wohnen werden, denn die Mietsituation in Berlin ist desaströs. Ich frage mich, wie es ihnen geht? Wie sie aufgefangen werden? Ich denke an die Bäckerei, die unten im Haus ist und die im letzten Jahr eine zuckrig-bunte Torte für die Kita-Geburtstagsfeier eines befreundeten Kindes beisteuerte.

Ich denke daran, dass ich mich in den letzten Jahren selbst wie ein Haus gefühlt habe, das brennt – nie ganz in Flammen stehend und doch in dichten Rauch gehüllt. In meinem Fall sind es viele kleine Feuer, die das Haus an den Rand des Einstürzens bringen. Mein Körper ist ein zu Hause geworden, nicht nur in der Schwangerschaft. Mein Kind sucht noch immer Zuflucht auf meinem Schoß, in meiner Umarmung, in der Wärme, die mein Körper abstrahlt.

Josephine Apraku

ist nicht mehr ganz so neues Elternteil, macht Bildungsarbeit zu Diskriminierungskritik, schreibt Dinge und gründet gerade neu.

Ich denke auch daran, dass es sich paradox anfühlt, zu schreiben, dass es in den letzten Jahren vor allem Menschen waren, die ebenfalls Kinder haben und die ebenfalls ausgebrannt sind, die für mich wichtig waren. Menschen, die nachfühlen konnten, dass ein Leben zwischen Lohn- und Sorgearbeit in der Pandemie keines ist.

© Viki Mladenovski

Nicht das Kind ist der Brand. Die Gesellschaft ist der Brand in einem Mietshaus, der nichts als Verzweiflung hinterlässt. Die Politik ist der Brand, deren Entscheidungen in den letzten Jahren während der Pandemie verheerend waren für alle, die unter den verschiedensten Umständen Sorgearbeit geleistet haben. Besonders für Menschen, die als Frauen wahrgenommen werden und denen Sorgearbeit zugeschrieben wird. Besonders für diejenigen darunter, die von unterschiedlichen Formen der Unterdrückung gleichzeitig betroffen sind. Der Brand ist auch das Private, das durch Gesellschaft und Politik – zumindest bei mir – zu feinem Staub zerrieben worden ist.

Ich weiß, dass ich mit diesem Gefühl und meinem Erleben nicht allein bin. Und dafür möchte ich mich bei euch dafür bedanken. Für die Zeit, die ihr euch genommen habt, um meine Gedanken zu lesen und eure Erfahrungen zu teilen. Austausch, das bleibt in unterdrückenden Verhältnissen beständig in meinem Kopf, lässt uns weniger allein sein. Er erinnert uns daran, dass unsere Erfahrungen, die entlang künstlich gezogener gesellschaftlicher Trennlinien verlaufen, kollektive Erfahrungen sind. Und manchmal denke ich, dass es das einzige Gegenmittel ist, das wir haben: Unsere Geschichten zu erzählen und, dass sie wahrhaftig gehört werden.

Ich danke euch für diese fünf Jahre

Josie