Intime Nuancen: Keerthana Kunnath
Von
Interview: Mascha Linke
Wie würdest du deine Arbeiten beschreiben?
Sie behandeln Nuancen in- timer und persönlicher Angelegenheiten. Es geht um Unausgesprochenes zu Themen wie Sexualität, Weiblichkeit und psychische Gesundheit, hauptsächlich im Kontext der südasiatischen Kultur. Dabei zentriere ich Herausforderungen und Kämpfe, mit denen queere Menschen und Frauen konfrontiert sind. Ich möchte Grenzen des konventionellen Denkens verschieben, um tief verwurzelte gesellschaftliche Normen und Wahrnehmungen infrage zu stellen.
Welche queeren Lebensrealitäten sollen deine Fotografien abbilden?
Als Fotografin möchte ich Geschichten erzählen, die der Komplexität und Vielschichtigkeit queerer Realitäten gerecht werden. Diese Geschichten umfassen das Zusammenspiel von Faktoren wie Kaste, Religion oder Patriarchat. Letztendlich möchte ich damit Gemeinschaft, Empathie und Verbundenheit zwischen Menschen aller Hintergründe und Identitäten fördern.
Deine Arbeiten zeigen vor allem gleichgeschlechtliche Intimitäten. Was für ein Verständnis von Sexualität willst du transportieren?
Der Schwerpunkt kam dadurch zustande, dass ich selbst in einer Gesellschaft aufwuchs, die solche Beziehungen nicht allgemein akzeptierte. Meine Arbeit widersetzt sich einer Darstellung von Sexualität als ausschließlich cisgeschlechtlich und heterosexuell. Sexualität verstehe ich als inklusiv und fließend. Sie soll auf persönlicher Handlungsfähigkeit und Authentizität jenseits gesellschaftlicher Normen und Erwartungen basieren.
Intimität ist Verletzlichkeit. Welche Position hast du als Fotografin, damit sich die porträtierten Menschen wohlfühlen?
Ich führe von Beginn an offene Gespräche über meine Geschichte und Kämpfe beim Aufwachsen. Oft wird es sehr impulsiv: Viele Menschen, mit denen ich arbeite, haben Ähnliches durchlebt wie ich. Manchmal kommen dadurch gemeinsame Perspektiven zum Ausdruck. Dann entsteht für uns ein tieferes Gefühl von Community und Verständnis.
Keerthana Kunnath lebt und arbeitet als freie Fotografin in London. Zuvor in der Mode- und Werbebranche tätig, haben ihre Arbeiten mittlerweile einen politischen Anspruch: Der Schwerpunkt liegt in der Auseinandersetzung mit Sexualität und Geschlechtlichkeit innerhalb cis- und heteronormativer Systeme. Er ergibt sich aus ihrer Erfahrung, als queere Frau in Indien aufgewachsen zu sein. Instagram: kee_kunnath
Dieser Text erschien zuerst in Missy 02/23.