Interview: Sophie Boche

Was ist deine persönliche Verbindung zum Albumtitel „Radical Romantics“?
Das ist eine lange Geschichte. Als ich anfing, am Album zu arbeiten, habe ich gar nicht gedacht, dass daraus tatsächlich ein Album wird. Ich bin ins Studio gegangen, habe angefangen, Musik zu machen, und geschaut, was passiert. Nach einer Weile habe ich dann gemerkt, dass das, worüber ich schreibe, sich vor allem um Liebe dreht. Und darum, dass man, um sich wirklich verlieben und andere lieben zu können, erst mal eine Menge Dinge über sich selber wissen muss: was deine eigenen Bedürfnisse sind und auch, was du brauchst, um überhaupt lieben zu können. Und dabei geht es oft um sehr viel gegensätzlichere Dinge als die, die in romantischen Mythen vorkommen. Diese Mythen auseinanderzu- nehmen und bestimmte Vorstellungen, von denen man denkt, dass man sie bräuchte, das ist durchaus radikal.

Welche weiteren Erkenntnisse in deinem Leben haben die Entstehungszeit des Albums begleitet?
Für die Möglichkeit zu reflektieren braucht es vor allem Zeit. Eine Sache, über die ich viel nachgedacht habe, ist: Wie ist es überhaupt möglich, in einer kapitalistischen Gesellschaft zu lieben? Für die meisten Menschen passiert die gesamte Zeit so unglaublich viel. Neben der Arbeit bleibt kaum noch Zeit, um richtig zu leben und zu reflektieren. Es geht vor allem darum, zu produzieren und produktiv zu sein. Ich lese bell hooks seit vie- len Jahren und in ihrem Buch „all about love“ beschreibt sie, was für ein großes Risiko es bedeutet zu lieben: verletzlich zu sein und Intimität zu teilen. Und das gilt nicht nur für romantische Beziehungen, sondern auch für enge Freund*innenschaften. Ich habe sehr viel über Nähe und Intimität nachgedacht und ob wir als Gesellschaft überhaupt die Zeit dafür haben. Es dauert sehr lange, eine intime Ebene zu erreichen. Und dann dauert es noch länger…