Von Merle Groneweg
Illustration: Sharmila Banerjee

Seit Monaten Alltag: Um die Woche zu planen, schaut man in den Wetterbericht, vor allem aber in den Streikkalender. Wann fahren keine Züge, wann keine U-Bahnen und Busse? Können die Kinder zur Schule oder streiken die Lehrer*innen? Findet die Vorlesung an der Uni statt oder streiken die Dozierenden? Braucht die Post aufgrund des Streiks ein paar Tage länger? Finden Vorsorgetermine und geplante Operationen statt oder gelten Notfallpläne, weil Krankenpfleger*innen, Assistenzärzt*innen oder Rettungsdienst streiken? Auch weniger prominente Berufe zeigen plötzlich ihr Potenzial, Sand ins Getriebe zu werfen: Erscheinen die Prüfer*innen nicht zur Arbeit, fällt die Führerscheinprüfung aus. Und als Streiks von Grenzkontrolleur*innen im Winter den Flug und Schiffverkehr

beeinträchtigten, ließ die von den konservativen Tories geführte Regierung kurzerhand Militärpersonal schulen, um das „Chaos“ zu mildern. Doch Reisepläne können auch anderweitig durchkreuzt werden: Bspw., wenn Mitarbeiter*innen der staatlichen Behörde für Reisepässe einen fünfwöchigen Streik ankündigen.

Großbritannien erlebt die größten Arbeitskämpfe seit Langem – und zwar vor allem im öffentlichen Sektor oder in jenen Bereichen, die einst dazugehörten, wie die Post und Bahn. Als im Februar mehr als 500.000 Zugfahrer*innen, Beamt*innen, Lehrer*innen, Universitätsangestellte und andere Arbeiter*innen gemeinsam streikten, war die Botschaft klar: Wir kämpfen nicht nur für höhere Löhne und Renten, sondern für einen öffentlichen Dienst, der diesen Namen verdient. Denn was noch nicht privatisiert wurde, wurde längst kaputtgespart. Die konservativen Tories regieren das Land seit 2010 ununterbrochen und setzen die Politik fort, die Margaret Thatcher einst begonnen hat. Die „Eiserne Lady“ wurde 19…