Interview: Isabella Caldart
Illustration: Alina Bohoru

Im Frühjahr 2022, in Virginia, USA ging Johnny Depp vor den Augen der Öffentlichkeit in einem Prozess wegen Verleumdung gegen Amber Heard vor. Heard hatte 2018 in der „Washington Post“ einen Kommentar über sexualisierte und häusliche Gewalt veröffentlicht, wurde vergangenes Jahr schließlich in drei Fällen der Verleumdung schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe verurteilt. Auch ihr Ex-Ehemann Depp wurde in der Gegenklage in einem von drei Fällen für schuldig erklärt und musste Schadensersatz zahlen. Lasst uns einen Blick zurückwerfen: Wie habt ihr den Prozess seinerzeit wahrgenommen?
Nadia Shehadeh: Ich hatte schon vorher eine starke Meinung zu Johnny Depp, ich wusste, dass er Rollen verloren hatte, weil er unzuverlässig am Set war, ich kannte den Artikel von Amber Heard aus dem Jahr 2018 in der „Washington Post“ – und doch habe ich zu Beginn immer noch gedacht, es handle sich um eine schwierige Ehe zwischen zwei exzentrischen Personen. Auch als Feministin bin ich in diese Falle getappt. Ich habe dann für eine Kolumne, die ich schreiben musste, einen kompletten Lernprozess durchlaufen – was viel Arbeit bedeutete, da ich mich im Internet durch viele Fehlinformationen wühlen musste,

um einen Überblick zu bekommen.
Jacinta Nandi: Es gab eine große Desinformationskampagne. Ich bin anfänglich davon ausgegangen, dass sie ihm wirklich ins Bett gekackt hatte, weil Facebook voller Memes damit war. Und ich musste mir während des Prozesses die Artikel, die für Amber Partei ergriffen haben, mailen oder screen­shotten, da diese auf Google nicht angezeigt wurden.
Veronika Kracher: Ich habe Expertise darin, wie Frauenhass online funktioniert, und entsprechend habe ich mich mit den Memes und Videos über den Prozess beschäftigt. Mir ist dabei schnell klargeworden, dass das eine antifeministische Hasskampagne u. a. von Maskulinistengruppen und Neonazis war, und das auf globaler Ebene.

Warum war damals gefühlt die ganze Welt ­gegen Heard?
VK: Das ist auf so fruchtbaren Boden gefallen wegen gesellschaftlicher Misogynie und der Bereitschaft zu glauben, dass ein Schauspieler, der vor zwanzig Jahren mal mit Gegenkultur assoziie…