Realityshows erfreuen sich seit ihrem Boom in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren stetiger Beliebtheit, ganz vorn dabei: Datingshows, die sich in der internationalen TV-Landschaft der letzten Jahre zwar etwas diversifiziert haben (es darf auch mal queer gecoupled werden), vor allem aber auf viel Nacktheit an entlegenen Ständen setzen. Für Netflix wurde nun eine 18-teilige Show geschaffen, deren Atmosphäre die TV gewordene Kuscheldecke ist. Japaner*innen zwischen Ende dreißig und Anfang sechzig ziehen in ein renovierungsbedürftiges Haus auf dem Land. Ruhig und zielstrebig kümmern sie sich um

den Garten, legen neue Böden – und nähern sich nicht nur freundschaftlich an. Wie im japanischen TV üblich, kommentieren zwei Moderator*innen (Becky und Atsushi Tamura) witty das Gesehene – leider oftmals die Dialoge der Kandidat*innen übertönend.

Missy Magazine 04/22, serienaufmacher, Love Village; Eine Kuscheldecke, die bleib.t
© Netflix

Hier wird nicht die eine große Liebe gesucht, denn die meisten haben diese schon einmal gefunden. Manche sind mehrfach geschieden, alleinerziehend. Im konservativen Japan gilt besonders in der älteren Generation noch, dass sich Frauen von Männern abhängig machen und stigmatisiert werden. So hatte Okayo in ihrer Ehe eigentlich nichts zu sagen. Und weil Tot-chans Ex ein Hygienefanatiker ist, gab sie sich als Hausfrau für ihre kleine Familie auf. In diesem Sinne kann die Show vielleicht ein gutes Vorbild sein, um den unnötigen Druck von den Frauen zu nehmen, die sich für ihre gescheiterten Beziehungen verantwortlich machen. Zudem wird sehr offen über Sex gesprochen. Hier sind auch die Männer gefragt. Denn Tabo muss mit seiner Auserwählten darum kämpfen, dass diese sich nicht den starr patriarchalen Strukturen seiner koreanischen Familienseite beugen muss. Und Minane fragt sich, ob sie als Seniorin überhaupt noch eine Romanze verdient hat.

Leider kommen dabei queere Lebensrealitäten kaum vor. Und die Stellung der queeren Community in Japan ist auch nicht die beste. Immerhin zog 2018 ein bisexueller Protagonist in die letzte Staffel „Terrace House“ ein. Ein, zwei bisexuelle Personen wären also eine interessante Möglichkeit, das stereotype Hetero-
Dating im japanischen TV aufzumischen. Es bliebe ja trotzdem eine 
Kuscheldecke. Simone Bauer

 „Love Village“ läuft auf Netflix.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 04/23.