Feministische Ikonen: Eva von Redecker über Xanthippe
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Antike Philosophie lese ich eigentlich nur als Lebenshilfe. Zu Beginn meines Studiums wurde ein Seminar zu Platon angeboten, das den sicherlich nicht vorgesehenen Effekt hatte, mein Coming-out erheblich voranzubringen. Ich saß mit roten Ohren und rotgeweinten Augen auf dem Sofa, weil ich fand, dass Sokrates’ Beschreibung des Genusses der Wahrheitssuche angesichts der Schönheit des Geliebten meine eigene Verknalltheit in Lieblingslehrerinnen viel besser fasste als das, was über Homosexualität in der „Bravo“ stand.
Kein Wunder, dass ich ein paar Jahre später, als ich mit dem Tod einer geliebten Person konfrontiert war, wieder in die platonischen Dialoge hineinblätterte, speziell in den
„Phaidon“, der am Sterbebett des zum Tode verurteilten Sokrates spielt. Da gab es aber nichts, das zur Identifikationsvorlage taugte: Typen in Togen, die auf abwegige Weise die Unsterblichkeit der Seele zu begründen versuchten. Mit einer Ausnahme. Auf der ersten Seite passiert, was sonst nirgends in den Grundtexten der abendländischen Philosophie passiert: Eine Frau taucht auf und spricht selbst.
Es ist Xanthippe. Sie spricht über das nahende Ende von Sokrates, mit dem sie verheiratet ist. „Oh Sokrates, nun reden diese deine Freunde zum letzten Mal mit dir und du mit ihnen.“ Sie beklagt nicht …