„Roe war nie genug“
Von
Text und Fotos: Kornelia Kugler
Das Schwerste ist, dass ich den Leuten nur mehr ein Blatt Papier geben und nicht mit ihnen sprechen kann“, erzählt Mia Raven, Aktivistin aus Montgomery, Alabama. „Wenn heute jemand zu mir käme und mich fragen würde, wo die nächstgelegene Abtreibungsklinik ist, und ich sagen würde, dass sie in Tallahassee, Florida, ist, könnte ich verhaftet werden.“ Das Blatt Papier, von dem sie redet, darf nur die Bundesstaaten auflisten, in denen Abtreibungen nicht illegal sind, aber keine Klinikadressen oder andere praktische Tipps. „Ich habe also eine Liste von Staaten und Informationen, bis zu welcher
Schwangerschaftswoche man da abbrechen darf. Der nächstgelegene Staat ist Florida und dort gilt derzeit ein Verbot ab 15 Wochen. In Georgia ab sechs Wochen. Aber das Problem ist: Werden die Menschen in der Lage sein, rechtzeitig dorthin zu kommen? Haben sie die Mittel, Tausende Kilometer zu reisen? Haben sie Kinderbetreuung? Haben sie das Geld für die Behandlung? Diese Hürden gab es auch mit Roe, aber jetzt ist es schlimmer geworden.“
Seit einem Jahr gibt es in den USA kein allgemeines Recht auf Abtreibung mehr. Jeder US-Bundesstaat macht nach dem Ende der bundesweiten Rechtsprechung, nachdem das Grundsatzurteil Roe v. Wade gekippt wurde, seine eigenen Gesetze. Mehr als die Hälfte der US-Bundesstaaten haben seitdem den Zugang zu Abtreibungen kriminalisiert oder stark eingeschränkt. In den letzten Jahren haben sich als Reaktion auf die zunehmenden Angriffe auf reproduktive Rechte eine Reihe unabhängiger Netzwerke und Abtreibungsfonds gebildet. Auf einer Recherchere…