Wässrige Wesen
Von
Von Nada Rosa Schroer
Um die nassen Tatsachen vorwegzunehmen: Der menschliche Körper besteht zu sechzig Prozent aus Wasser. Es gäbe uns nicht ohne die Flüssigkeit. Auch der Anfang des Lebens auf der Erde hat seinen Ursprung in feuchten und heißen Tümpeln. „Als wässrig erleben wir uns weniger als isolierte Wesen, sondern eher als ozeanische Wirbel: Ich bin ein singulärer, dynamischer Strudel, der sich in einer komplexen, flüssigen Zirkulation auflöst“, heißt es bei der Kulturtheoretikerin Astrida Neimanis, deren Schaffen von der Erkenntnis getrieben ist, dass Wasser alles durchdringt. In ihrer Publikation „Bodies Of Water: Posthuman Feminist Phenomenology“ von 2017 überdenkt Neimanis unsere Verbindungen mit Wasser aus einer feministischen Perspektive.
Auch in der Kosmologie vieler nicht-westlicher Gemeinschaften haben Vorstellungen von
der wässrigen Verbundenheit einen zentralen Platz. Etwa in den Geschichten der Mapuche, eines indigenen Volkes Südamerikas. Hier ist Wasser integraler Bestandteil einer belebten Landschaft, in der alle Wesen, ob menschlich oder mehr-als-menschlich, in einer nicht-hierarchischen Wechselbeziehung stehen. Diese Vorstellung lebt von den feuchten Beziehungsweisen: Kategorische Trennungen in „Landschaft“ und „Wasser“ oder zwischen „belebt“ bzw. „unbelebt“ gibt es hier nicht.
In der Videoarbeit „Kowkülen (Liquid Being)“ von 2020 sieht man den*die nicht-binäre Künstler*in Seba Calfuqueo – selbst der Gruppe der Mapuche zugehörig – unter dem Halbschatten des Laubwalds im Strom eines Nebenarms des Cautín-Flusses zwischen den Felsen treiben. Der Cautín fließt durch Wallmapu, das Territorium der Mapuche. Seba Calfuqueos Kunst verbindet die Untersuchung der Ästhetik und Politik des Wassers mit einer indigenen und nicht-binären Perspektive. Das Werk verm…