Porträt des Autors Deniz Utlu
© Heike Steinweg

Ich suche nach einer Möglichkeit, damit zurechtzukommen, dass es ein absolutes Erinnern nicht gibt. Erinnern bedeutet am Leben erhalten.“ Doch wie erinnert man sich als Sohn an das Leben seines Vaters? Als Yunus 13 Jahre alt ist, erleidet sein Vater Zeki zwei Schlaganfälle hintereinander und ist fortan fast gänzlich gelähmt. Das Locked-in-Syndrom lässt ihn nur noch mit den Augen kommunizieren. Seine Frau

Senem kümmert sich um Bürokratie und Pflege, der Sohn verschließt sich und weiß nicht, wohin mit seinem Schmerz. Er liest, verliebt sich, spielt Musik. In „Vaters Meer“ erfährt man dies nicht direkt, sondern als Rückblenden zwischen Erinnerungen. Yunus springt zwischen seinen eigenen, teils verschwommenen, teils klaren und immer wieder unsicheren Erinnerungen und den Erinnerungen des Vaters – erzählten sowie ausgedachten – hin und her. Er erzählt nicht linear, wiederholt sich, stellenweise in endlos scheinenden Schleifen, um zu erahnen, um zu verstehen, um nicht zu vergessen.

„Solange die Welt nicht unterging, würde da ein Kind sein, das sich viele Jahre später in seinen Vater hineinversetzte, das versuchen würde, zu verstehen, was es hieß, in den mondhellen Nächten sehnsüchtig gewesen zu sein, und allein, bitterallein.“ Und so sucht Yunus seinen Vater. Er sucht ihn in Briefen, Träumen, Fotos. Er sucht ihn im Meer, in Büchern, in Zwischenräumen, in Leerstellen und immer wieder in sich selb…