Von Anna Opel
Illustration: Zora Asse

Eine rosa Figur wird von vielen verschiedenen Händen berührt.

Wir haben Kinder gezeugt, sie großgezogen, Reisen unternommen, Familienarbeit geteilt, Eltern zu Grabe getragen, Bandscheibenvorfälle auskuriert und – grob überschlagen – neunhundert Mal Sex gehabt. 25 gemeinsame Jahre in hetero Monogamie. Aber so langweilig, wie es klingt, war das gar nicht. Vor drei Jahren bin ich in die Wechseljahre eingebogen, mit nächtlichem Wachliegen, fliegender Hitze zu

jeder Tageszeit und trockener Haut. Die Menstruation hat aufgehört: nie mehr Tampons, nie mehr Angst vor noch mehr Kindern.  

Das erste Kind kam ein Jahr, nachdem wir das erste Mal miteinander geschlafen hatten, das letzte sieben Jahre später. Wunschkinder, jedes Mal toll, aber nach zwei Töchtern und einem Sohn haben wir Schluss gemacht mit der Reproduktion. Es gibt noch mehr zu tun im Leben. Zu manchen Zeiten waren auch die Gelegenheiten rar. Kleine Kinder schliefen schlecht ein, lagen jahrelang zwischen uns im Bett und machten insgesamt viel Arbeit. Große Kinder hingen wochentags bis kurz vor Mitternacht im Wohnzimmer rum, daddelten neben unserem Schlafzimmer oder quatschten laut auf Discord herum. 

Jetzt ist das Nest leer und wir sind erwacht wie Dornröschen nach hundert Jahren Schlaf. Ich versuche, nicht an die Zahl zu denken, die mein Alter benennt, eher daran, wer ich bin. Eine, die ihre Kraft nach außen trägt, die was vom Leben will. Eine, für die Sex Austausch ist, Energie, Zir…