Ich gehe zur Arbeit, weil ich muss
Von
*Advertorial
Nadia Shehadeh wird seit ihrem Buchrelease im Frühjahr gerne (und viel) zitiert, so aufwühlend scheinen ihre Anti-Girlboss-Thesen. Grund genug, mit der Autorin über Quotes zu sprechen, die sie inspiriert haben, die sie nicht mehr hören kann – und mit welcher Aussage sie sich am liebsten zitiert sieht.
Nadia Shehadeh wird – gehüllt in einen ihrer vielen Flauschbademäntel – von Facebook selbst gewarnt, nicht zu viel Zeit auf der Plattform zu verbringen und wurde schon einmal ins Chefbüro zitiert, weil sie den Minusstundenrekord ihres Arbeitgebers knackte. Statt sich für dieses Leben zu schämen, wie der Kapitalismus es ihr nahelegt, kultiviert sie das Nichtstun als Protestform gegen das Leistungsprinzip. Denn Entspannung, da ist sich die studierte Soziologin sicher, ist Widerstand und Selbstfürsorge.
Doch ganz so chillig ist es dann doch nicht: Nadia Shehadeh geht der Lohnarbeit in der Jugendberufshilfe nach. Sie verfolgt ihr selbstbenanntes Side Hustle als Autorin – und hat mit „Anti-Girlboss – den Kapitalismusvom Sofa aus bekämpfen“ im Frühjahr 2023 ein ganzes Buch veröffentlicht. Als Advokatin des „Einfach-nur-Existierens“ ist sie gern gesehene Podcastgästin, gibt Lesungen und spaziert, passend zu ihrem Credo, in gemäßigtem Tempo dem Girlboss-Narrativ zu trotzen, im Dialog mit Kollegin Marie Serah Ebcinoglu für REEPERBAHN FESTIVAL QUOTES gemütlich durch die Hamburger Schanze – ein „Dear Weekend, I love you“-Shirt tragend. Wer ihr dabei lauscht, hinterfragt zwangsläufig das persönliche Arbeitsethos, reflektiert die eigenen Privilegien und zückt das Handy zum gnadenlosen Prokrastinieren danach vielleicht mit etwas weniger schlechtem Gewissen. Denn ihre Thesen animieren, selbst pünktlich Feierabend zu machen und die Jogginghose überzustreifen. Welche Quotes sie selbst bewegen? Sechs Fragen an die Anti-Girlboss.
Welchen Quote in Bezug auf Arbeitsmoral und -kultur kannst du nicht mehr hören und warum?
„Love my job“ – am besten noch mit Hashtag. Das finde ich sehr unangenehm und cringy. Ich habe nichts dagegen, dass man seinen Job nicht hasst oder sogar gern macht, aber ich bin sehr dafür, die Liebe hier aus dem Spiel zu lassen. Ich plädiere für: „I don’t hate my job – but I would”!
Einige Quotes aus deinem Buch wie „Ich gehe zur Arbeit, weil ich muss“ oder „Ein halbwegs öder Tag zu Hause ist immer noch besser als ein interessanter Tag bei der Arbeit“ haben mediales Aufsehen erregt – sie schienen für viele Lesende (zu) krass. Woran liegt das?
Ich glaube, dass es oft die ganz banalen Wahrheiten sind, die Menschen auf die Palme bringen. Und ich glaube auch, dass viele Abwehrreaktionen in Bezug auf diese beiden Buchzitate auch aus Selbstschutz aus den Leuten herausschossen. Falls nämlich doch etwas dran sein sollte an meinen Behauptungen, dann hieße das ja, dass man mühsam und lebenslang inkorporierte Jobliebesmythen auf der Basis eines fiesen Irrtums inhaliert hätte. Und das von sich zu weisen, ist eine Copingstrategie, die ich absolut verstehe.
Für Newbies des Anti-Girlboss-Daseins: Wie kultiviert man Nichtproduktivität?
Ehrlich gesagt: Das ist schwieriger, als es der fluffige Klappentext von meinem Buch verspricht und ich glaube auch, dass man beim Lesen des Buches merkt, mit wie vielen Widersprüchen ich selbst kämpfe, wenn es um Nichtproduktivität geht. Es wurde einem so sehr eingetrichtert, dass es maximal wichtig ist, irgendwie produktiv, arbeitsam oder wenigstens smart zu sein, dass man sich davon nur schwer lösen kann. Aber ich glaube, eine hilfreiche Strategie ist es, sich jeden Tag zu fragen, wie man besonders unnütz für den Kapitalismus sein kann. Und da ist Nichtproduktivität natürlich ein guter Anfang.
Welcher Quote hat dich beim Schreiben deines Buches besonders inspiriert?
Im Prinzip alle Denkschulen, die sich gegen neoliberale Leistungs- und Chancengleichheitsthesen richten. Und meine Vorliebe für Anti-Held*innen – egal ob sie mir in der Popkultur oder in meinem eigenen Umfeld begegneten.
Auf dem Reeperbahn Festival hast du mit Yasmine M’Barek, Autorin des Buches „Protest: Über Wirksamkeit und Risiken des zivilen Ungehorsams“, über Widerstand gesprochen und auch dein Buch widmet sich der „Rest Revolution“. Was hat es damit auf sich und welches Potential bürgt der Widerstand vom Sofa aus?
Tatsächlich werden sich Systeme nicht ändern, nur weil Leute mehr auf der Couch abhängen. Ich wollte aber kein missmutiges Buch schreiben, in dem ich nur schlechte Botschaften mitteile und diese dann so stehen lasse. Sondern auch etwas mitgeben, dass machbar ist. Und das ist in diesem Fall: die Absolution, auch mal alle Fünfe gerade sein zu lassen. Aber das ist natürlich auch sehr privilegiert, und auch keine Strategie für jede*n. Und trotzdem: Von Streiks bis hin zu der Idee der „Rest is Revolution“ aus afro-amerikanischen sozialen Bewegungen – nichts zu tun, um gesellschaftlichen Wandel anzustoßen, finde ich absolut faszinierend.
„Quote me on that“: Welchen Satz aus deinem Buch möchtest du am liebsten zitiert wissen?
„Ich glaube nicht, dass Erfolg Menschen freier und die Gesellschaft besser macht.“
Noch mehr Quotes gefällig? Warum wir auf Familienfeiern oft als erstes gefragt werden, wie es bei der Arbeit läuft und wie man möglichst unnütz für den Kapitalismus sein kann, erzählt Nadia Shehadeh bei REEPERBAHN FESTIVAL QUOTES. Die Folge bingt sich am besten vom Sofa aus – und für die Verkündung der eigenen Anti-Girlboss-Era kann man Nadia nicht genug lauschen.
REEPERBAHN FESTIVAL QUOTES macht Themen rund um Geschlechterungerechtigkeit, Diversität und Empowerment sichtbar, ganz ohne Blatt vorm Mund. Das Prinzip: Moderator*in trifft im Schlenderschritt auf Kulturschaffende – mitten in Hamburg. In der aktuellen Staffel sprechen Marie Serah Ebcinoglu (Missy Magazine), Maria Popov, Abilaschan Balamuraley und Lior Neumeister (Missy Magazine) mit meinungsstarken Persönlichkeiten aus Musik, Kunst, Literatur und Wirtschaft. Mit dabei: Poet*in und Comedian Alok Vaid-Menon, Produzentin und Regisseurin Paulita Pappel, Künstlerin Annahstasia sowie Sängerin und Songwriterin TASHAN – und natürlich Soziologin und Autorin Nadia Shehadeh. Ab sofort zu sehen auf YouTube.
REEPERBAHN FESTIVAL QUOTES ist eine Produktion der RBX GmbH, präsentiert von Keychange, der Initiative für Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche.