psychodelische Pilzlandschaft
© Adrienne Kammerer

Meine Mutter, die Pilzlady
Ich komme aus einer Familie von Pilzenthusiast*innen. Das klingt idyllischer und vor allem gesünder, als es ist. Denn Pilzleidenschaft heißt nicht nur, im Schweden-Urlaub zwei Wochen lang „selbstgefangene“ Pfifferlinge in allen erdenklichen Zubereitungsformen zu verzehren, sondern auch, dass wir uns 1986 – als DDR-Bürger*innen nichts ahnend vom Ausmaß der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl – durch die in jenem Jahr besonders reiche Pilzernte gefuttert haben. Der Begeisterung vor allem meiner Mutter hat das keinen Abbruch getan. Jahr für Jahr dreht sich für sie während der Pilzsaison alles um Steinpilz, Krause Glucke, Morchel und Co. An Wochenenden, freien Tagen und ich vermute manchmal auch

heimlich während der Arbeitszeit fährt sie in den Wald und sammelt. Zu Hause putzt sie stundenlang mit ihren Friends die vielen Kilos, friert und legt ein und trocknet, u. a. in einem eigens dafür angeschafften Dörr­automaten. Dabei entwickelt meine sonst absolut regelkonforme Mutter regelmäßig ein hohes Maß an krimineller Energie. Denn: In Deutschland ist streng festgelegt, dass private Sammler*innen nur eine Verzehrmenge von höchstens zwei Kilogramm aus dem Wald holen dürfen. Das Bußgeld bei Überschreitung dieser Grenze: bis zu 10.000 Euro, wenn man erwischt wird, was ihr, der Pilzlady, noch nie passiert ist. Ich denke, man kann ohne Übertreibung sagen, dass sie den Staat in den vergangenen Jahren so um viele, VIELE Zehntausend Euro betrogen hat. Diese Delinquenz ist in meinen Augen eigentlich das Schönste am Hobby meiner Mutter. Denn ehrlich gesagt schmecken mir persönlich Pilze gar nicht so besonders gut. Und die Sammelleidenschaft habe ich auch nicht geerbt. Schon als Kind war ich eine Findversagerin,…