„Wir graben die Geschichte aus, auch wenn sie schmerzhaft ist.“
Von
Rauch wabert über die dunkle Bühne. Aus den Lautsprechern knistern Flammen, darüber liegt ein mystischer elektronischer Soundteppich. Scheinwerferkegel durchschneiden die Dunkelheit. Sie erleuchten Beine in einem hautengen blauen Latexanzug. Lassen die bronzenen Armbänder einer Gestalt aufblitzen und die silbrig umflochtenen Zöpfe einer weiteren. Matrixgleich laufen türkisblau projizierte Computerbefehle über die Szenerie. Ein abgehackter Sprechchor setzt ein: „Hashtag. Consider. Bracket. Feeling. Dot.“ (auf Deutsch: Hashtag. Erwäge. Klammer. Fühlen. Punkt.), tönt es mehrstimmig, während sich fünf futuristisch gekleidete Personen aus der blauschwarzen Bühnendunkelheit schälen.
Die Eröffnungsszene des Theaterstücks „Romacen – The Age Of The Witch“ zieht mich sofort in ihren Bann. Die fünf „Techno-Hexen“, die im knapp zweistündigen Stück die Betriebssysteme des Patriarchats
hacken und per Zeitreise kurzerhand vergangene Gräueltaten gegen Rom*nja ungeschehen machen, sind absolute Sympathieträgerinnen. Giuvlipen heißt die kleine Theaterkompanie rund um die Schauspielerinnen Mihaela Drăgan und Zita Moldovan, die das Stück entwickelt und das erste feministische Rom*nja-Theater Rumäniens gegründet haben.
Ich treffe die beiden an einem heißen Sommernachmittag im Juni 2023 in einem Bukarester Gartenlokal zum Interview. Drăgan lässt sich erschöpft in einen der Klappstühle fallen, schiebt sich die Sonnenbrille mit den lilafarbenen Gläsern auf die Stirn und zündet sich eine Zigarette an. „Langer Tag“, seufzt sie. „Aber sobald ich eine Limonade habe, können wir loslegen.“ Mit ihrem stylischen Outfit – lavendelfarbenes Bustier unter grellorangefarbenem Oversize-Hemd – würde sie in jede Kreuzberger Kulturkneipe passen. Zita Moldovan kommt mit eisgekühlter Limonade dazu. Sie fühlt sich auf Englisch nicht wohl und überlässt Drăgan im Weiteren das Gespräch. …