Eine Person mit schwarzen, eng anliegenden Kopftuch steht im Vordergrund des Bildes. Sie lächelt und hat Tränen in den Augen. Im Hintergrund betrachten Mädchen die im Vordergrund stehende Person, die ihnen den Rücken zukehrt.
„Olfas Töchter“ ist ein Dokumentarfilm-Experiment, in dem die beiden Protagonistinnen fehlen, weil sie sich dem sogenannten IS angeschlossen haben. ©Twenty Twenty Vision

Olfa Hamrouni, alleinerziehende Mutter in Tunesien und Hauptfigur des Dokumentarfilms, erzählt in der ersten Szene vom Verschwinden ihrer beiden ältesten Töchter: Im Jahr 2015 schließen sich Ghofrane und Rahma Hamrouni dem IS in Libyen an. Und dann, so beschreibt es Olfa, habe sie „der Wolf gefressen“. Es scheint, als wolle sie sich mit einer Märchensprache vor dem Schmerz der Realität schützen.

Die tunesische Regisseurin Kaouther Ben Hania lässt Olfa und ihre verbliebenen Töchter Eya und Tayssir Erinnerungen nachspielen. Sie gehen auf Spurensuche: Wieso haben sich Ghofrane und Rahma radikalisiert? Was ist passiert, dass sie sich dem IS anschlossen? Ben Hania versucht, in ihrer

Dokumentation zu rekonstruieren. Ein Kunstgriff soll dabei helfen: Da Ghofrane und Rahma in ihrer Abwesenheit nicht für sich selbst sprechen können, übernehmen die Schauspielerinnen Ichraq Matar und Nour Karoui die Plätze der vermissten Töchter. Ben Hania verbindet somit Therapie und Schauspiel. Am eindringlichsten ist dies zu beobachten, als Olfa, Tayssir und Eya die beiden Doppelgängerinnen von Ghofrane und Rahma zum ersten Mal sehen. Erst lachen alle; es dauert, bis sie begreifen, was dieses surreale Wiedersehen mit ihnen macht. Die Abwesenheit der Schwestern wird schmerzlich spürbar. 

Die Regisseurin lässt die Frauen über das Verhältnis zu ihrem Körper sprechen, über das Tragen von Niqabs und über zerbrochene Mutter-Tochter-Beziehungen. Aber im Mittelpunkt des Filmes steht das wachsende Vertrauen, das durch den Austausch zwischen den Schauspielerinnen entsteht. Indem die Beteiligten Olfas Erziehungsmethoden nachspielen, die von Gewalt und Frauenfeindlichkeit geprägt sind, erfahren wir, wie eine …