Feministische Ikonen: Lene Albrecht über Andrea Manga Bell
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An meiner Brust schläft unruhig ein Neugeborenes, während ich versuche, endlich den Roman zu beenden, den ich vor fast zehn Jahren begonnen habe. Über meine Urgroßmutter Benedetta, die laut einer Anekdote ihre Papiere im Nationalsozialismus vernichtet hat, um sich und ihre Kinder zu schützen. Im Roman begebe ich mich auf die Suche nach einem Mädchen afropanamaischer Herkunft, das allein mit seinem Vater, einem Kolonialwarenhändler, nach Hamburg gekommen ist. Ein fast aussichtsloses Unterfangen, denn es gibt kaum Dokumente, die eine Story belegen, die ich weiterspinnen kann. Die
Erzählungen, die in meiner Familie kursieren, sind vage und abenteuerlich. Wie soll ich über jemanden schreiben, deren Biografie kaum bekannt ist?
Manchmal nehme ich nachts das Handy zur Hand, wenn ich nach dem Stillen nicht mehr einschlafen kann, und recherchiere. Dabei stoße ich auf Andrea Manga Bell und bin sofort wie elektrisiert wegen der Parallelen zu meiner Urgroßmutter. Andrea Manga Bell ist die Tochter des afrokubanischen Komponisten José Manuel Jiménez Berroa und der Deutschen Emma Mina Filter. Wie meine Urgroßmutter wächst sie in Hamburg um 1900 auf. Sind die beiden sich über den Weg gelaufen? Möglich ist es. Beide haben künstlerische Ambitionen. Es heißt, Benedetta war eine fabelhafte Karikaturistin. Wie damals üblich, heiraten sie früh und bekommen Kinder. Doch dann nehmen beide Biografien ungewöhnliche und dabei ähnliche Wendungen. Meine Urgroßmutter lässt sich von ihrem Mann scheiden und Manga Bell weigert sich, ihrem Ehemann, dem Kameruner Alexander Duala-Bell, 1922 in se…