© 2024 Drop-Out Cinema

Ein Traum von Revolution
Die Geschichte der Revolution in Nicaragua ist einzigartig, sagt die Stimme aus dem Off – und berichtet fortan persönlich und gegenwartsbezogen von den damaligen Ereignissen. Nachdem die Sandinistische Befreiungsfront 1979 den Diktator Somoza gestürzt, die Banken enteignet und eine Landreform durchgeführt hatte, verhängten die USA ein Wirtschaftsembargo. Die CIA verminte die Häfen Nicaraguas und lieferte Waffen an die „Contra-Rebellen“; ein Bürgerkieg erschütterte das Land. Die Regisseurin Petra Hoffmann gehörte zu den rund 15.000 Brigadist*innen, die in den 1980er-Jahren allein aus Westdeutschland nach Nicaragua reisten, um sich an Wiederaufbau und Widerstand zu beteiligen. Rund vierzig Jahre später fragt sie: Was ist aus dem Traum der Revolution geworden? Gemeinsam mit zwei anderen deutschen Brigadist*innen kehrt sie in die Region zurück und spricht mit Exilant*innen, die heute im benachbarten Costa Rica leben. „Es ist ein Albtraum“, sagt einer von ihnen. Denn geflohen sind sie ausgerechnet vor der Herrschaft Daniel Ortegas, dem einstigen Sandinisten, der heute Proteste gewaltsam niederschlägen lässt und kritische Stimmen bedroht. In einer von Kolonialismus und dem Patriarchat geprägten Gesellschaft übten auch schon damals revolutionäre Sandinist*innen Gewalt aus, vor allem auch gegenüber den indigenen Miskitos – dies wird im Film leider nicht thematisiert. Eine fragmentarische, aber interessante Perspektive auf die politischen Verhältnisse Nicaraguas damals wie heute. Merle Groneweg

„Ein Traum von Revolution“ DE 2024 (Regie: Petra Hoffmann. 109 Min., Start: 11.04.)

© Neue Visionen Filmverleih

Bei uns heißt sie Hanka
„Sorben malen zu Ostern Eier an und tragen immer Trachten.“ Das hat die junge Frau in der Schulzeit gelernt. Dass sie selbst zu diesem Volk zählt, war ihr lange nicht bewusst. Es ist der Tag ihrer Hochzeit, die sie in Tracht und mit traditionellen Tänzen feiert. Sorb*innen oder Wend*innen sind eine der vier gesetzlich anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland. Die Dokumentarfilmerin Grit Lemke begibt sich auf deren Spuren und gleichsam in ihre eigene Heimat, die Lausitz, nahe der polnischen und tschechischen Grenzen. Ein strukturschwaches Gebiet, dessen Landschaft vom Braunkohletagebau und von weiten Feldern zerfurcht ist. Am Beispiel von Anna-Rosina, die auf Sorbisch Hanka genannt wird, setzt sich Lemke mit dem heutigen Verhältnis der Menschen zu Folklore, Traditionen und Klischees auseinander. Hankas Heirat zieht sich nicht-chronologisch durch den Film. Wir sehen geordnet aus der Kirche ziehende Paare in Trachten, die zu Popmusik tanzen und alte Lieder singen, und junge Menschen, die auf Sorbisch rappen, eine antifaschistische Haltung zeigen und über die eigene rechte Vergangenheit reden. Ältere berichten davon, wie sie im Nationalsozialismus germanisiert wurden, ihnen die eigene Sprache verboten wurde. Statt schlichter Talking Heads versteht Lemke es, Details und Stimmungen subtil, aber ausdrucksvoll einzufangen. Menschen und Aufnahmen sprechen für sich. Sie lassen uns sehen, wo und wie diese Kultur lebendig ist, sich mit neuen Auffassungen vermischt und wo Zuschreibungen nicht funktionieren. Imke Staats

„Bei uns heißt sie Hanka“ DE 2023 (Regie: Grit Lemke. 92 Min., Start: 18.04.)

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Amsel im Brombeerstrauch
Die 48-jährige Etero (Eka Chavleishvili) führt ein kleines Geschäft für Hygieneartikel in einem abgelegenen georgischen Dorf. Mit ihrer liebevollen, leicht schroffen Art und emanzipierten Einstellung eckt Etero innerhalb der traditionellen Dorfgemeinschaft an. Selbst ihre Freundinnen, die sich längst an die patriarchalen Strukturen angepasst haben, kritisieren sie stark. Eines Tages stürzt Etero beim Pflücken von Brombeeren, ihrer Lieblingsfrucht, eine Schlucht hinunter und wird dabei fast vom starken Strom des Flusses mitgerissen. Sie kann es nicht fassen, dass sie der großen Gefahr nur haarscharf entronnen ist. Für Etero verändert diese todesnahe Erfahrung alles. Nach dem Schockerlebnis nimmt Etero sich kurzerhand ihren Lieferanten Murman (Temiko Chichinadze) beiseite, der auf sie schon lange ein Auge geworfen hatte. Schon bald haben sie eine leidenschaftliche Affäre, die sie dazu auffordert, Sexualität und Liebe neu zu denken. Regisseur*in Elene Naveriani schafft mit der Romanverfilmung von Tamta Melashvilis „Amsel, Amsel, Brombeerbusch“ ein stilles Porträt einer mutigen Frau, die versucht, trotz harter Lebensrealität ihre sexuelle Lust auszuleben. Das Drama über diesen zweiten Frühling ist ein kraftvoller Befreiungsakt, der in Naverianis Interpretation spürbar sinnlich ist. Sofia Paule

„Amsel im Brombeerstrauch“ CH/GEO 2023 (Regie: Elene Naveriani. Mit: Eka Chavleishvili, Temiko Chichinadze, Lia Abuladze u. a., 110 Min., Start: 18.04.)

© kloos & co

Der Wunsch

Selten kommt ein Dokumentarfilm Menschen so nahe wie Regisseurin Judith Beuth den Protagonistinnen Maria und Christiane. Zehn Jahre kämpft das Paar für ein gemeinsames Kind – auf juristischer, finanzieller, biologischer und vor allem emotionaler Ebene. Zunehmend gerät ihre Beziehung unter Druck. Die einfühlsam montierten Szenen zeigen Maria und Christiane im Gespräch miteinander, mit Ärzt*innen, unterwegs zu neuen Chancen in zahlreichen Ländern oder beim Verarbeiten einer erneuten Enttäuschung in der Natur. Empathisch bricht der Film die Tabus Fehlgeburt, Kinderwunsch mit Behinderung und bei lesbischen Paaren. Wassermotive und von Maria gezeichnete Animationen bebildern Wunschvorstellungen und die verrinnende Zeit, die „biologische Uhr“ und gesetzliche Vorgaben, die Kinderwunschbehandlungen mit zunehmendem Alter schwieriger machen. Die Diskriminierung lesbischer Paare wird ebenso offenbar wie die körperlichen Begrenzungen, die durch Marias Querschnittslähmung in Bezug auf ihre Möglichkeiten einer eigenen Schwangerschaft oder als Eizellenspenderin entstehen. Dabei wird sie nie auf ihre Behinderung reduziert. Beuths Freundschaft zu beiden wird deutlich spürbar. Als Erzählerin des Films greift sie mitunter – für Dokumentarfilme ungewöhnlich – kritisch nachfragend ein. Christiane und Maria vermisst man, sobald der Film zu Ende ist, man will weiter an ihrer Weisheit, ihren Erfahrungen und ihrer Authentizität teilhaben. Johanne Hoppe

„Der Wunsch“ DE/NOR 2024 (Regie: Judith Beuth. 105 Min., Start: 14.03.)

© Neue Visionen Filmverleih

Irdische Verse
Iran. Faezeh wird in einem Bewerbungsgespräch sexuell belästigt. Sadaf ist Taxifahrerin, aber ihr Auto wurde beschlagnahmt, weil sie angeblich das Kopftuch während der Fahrt abgenommen hat. Farboal will nur seinen Führerschein abholen, doch der Beamte will prüfen, ob er „normal“ ist, und zwingt ihn dazu, seine Tattoos zu zeigen. Menri sucht auf einer Polizeiwache Hilfe, denn ihr Hund – Hundehaltung ist im Islam haram – wurde von der Polizei mitgenommen. Neun Schicksale und die Perspektive ist immer die gleiche: Man sieht nur die betroffene Person, den*die Beamt*in, der*die die Person unter Druck setzt, nicht. Diese Perspektive macht klar, wie entmenschlichend der Umgang der Autoritäten mit Iraner*innen ist. Anhand der Alltagssituationen zeigen die Regisseure Ali Asgari und Alireza Khatamie, wie das Leben mit einer allgegenwärtigen Bürokratie und ihrer Kontrollmacht in einem autoritären Staat ist. Die Doppelmoral und die Willkür der Beamt*innen wird zu einem Irrsinn, der sich ins Leben der Personen drängt. Mit schwarzem Humor erzählen die Regisseure von der banalen Bosheit. Die Satire wurde in Cannes uraufgeführt. Nach seiner Rückkehr von der Premiere wurde Asgaris Pass eingezogen und es wurde ihm vom Regime verboten, weitere Filme zu drehen. Katrin Börsch

„Irdische Verse“ IRN 2023 (Regie: Ali Asgari, Alireza Khatami. Mit: Bahram Ark, Arghavan Shabani, Servin Zabetian, Sadaf Asgari, Faezeh Rad, Hossein Soleymani u. a., 77 Min., Start: 11.04.)

© Piffl Medien

La Chimera
Staubige Kleidung, feuchte Wände, offene Gräber. Die Welt in Alice Rohrwachers neuem Film ist eine der klammen Ruralität, in der das eindringende Regenwasser so regelmäßig wie ein Metronom in die Kübel tropft. Eine in der Zeit verstrickte, sich selbst plündernde Welt, in der Arthur (Josh O’Connor) wie eine geisterhafte Folgeerscheinung auftritt: Der hagere Engländer verfügt über die übernatürliche Gabe, antike Grabstätten aufzuspüren, und stellt sich in den Dienst einer Bande von Grabräubern. Gerade aus dem Gefängnis entlassen, kehrt er in die Überreste seines alten Lebens zurück, wo er die Gesangsschülerin Italia (Carol Duarte) vorfindet, die mit ihm allmählich ein Verhältnis beginnt. „La Chimera“ erzählt sein Thema mit diskretem Witz und zugleich mit Dreck unter den Fingernägeln. Seine Kriminellen sind von Armut und Not getrieben, nicht selten machoid, aber auch verhindert romantisch. Der Film stellt der inbrünstigen Trauer, mit der sich Arthurs Blick in die Vergangenheit richtet, kluge Gegenwarts- und Zukunftsperspektiven gegenüber. Besonders in Duartes Figur entwickelt Rohrwacher eine komplexe, radikale Stimme, die dem Verfall einen nährenden Pragmatismus erwidert. In alldem bespricht dieser prachtvolle Film die Frage: Darf Geschichte verwertet, ja verdrängt werden – oder müssen ihre Leerstände besetzt werden? Linus Misera

„La Chimera“ IT/FR/CH 2023 (Regie: Alice Rohrwacher. Mit: Josh O’Connor, Carol Duarte, Isabella Rossellini,  Alba Rohrwacher u. a., 130 Min., Start: 11.04.) 

© Stephan Burchardt / DCM

Sieger Sein
„Teamwork makes the dream work“, motzt die elfjährige Mona (Dileyla Agirman) in die Kamera, während ihr Fußballteam einer Schule in Berlin-Wedding foult. Für Mona, mit ihrer kurdischen Familie aus Syrien geflohen, ist das alles schräg: Gepöbel, Null-Bock-Allüren und Vandalismus. Dass die Kids an der neuen Schule keinen Respekt haben und nur für sich kämpfen, versteht sie nicht. Wie die mutige Heldin auf Umwegen ihr Glück findet, davon erzählt „Sieger Sein“. Die kurdische Regisseurin Soleen Yusef hat ihre eigene Biografie adaptiert. Das Ergebnis ist poppig, ergreifend und absolut sehenswert. Main Character neben Mona ist der linke Klassenlehrer Che (Andreas Döhler), der im Lehrerzimmer und auf dem Platz für das Team eintritt. Mit breit angelegtem Storytelling, aber auch witzigen Kameraeffekten  und coolen Sprüchen kommt die Geschichte als tiefgründigere und feministische Variante von „Fack ju Göhte“ (2013) daher. Stoisch setzt Mona ihre Botschaften in die Kamera ab. Damit sie zwischen Deutschkurs, Kindern und Haushalt nicht völlig durchdreht, führt ihre Mutter am Esstisch Arbeitsteilung im Haushalt ein. In Rückblicken wird erzählt, wo Mona herkommt. Viele Stränge verleihen der Geschichte große Tiefenschärfe. Soleen Yusef jongliert souverän alle Ebenen und Plätze. Die Botschaft: Damit das Spiel namens Leben ohne große Blessuren verläuft, braucht es Mut und Teamplay – eine Löwin als Mutter, engagierte Lehrer*innen und Freund*innen. Anna Opel

„Sieger Sein“ DE 2024 (Regie: Soleen Yusef. Mit: Dileyla ­Agirman, Sherine Ciara Merai, Andreas Döhler, Ceci Chuh u. a., 119 Min., Start: 11.04.) 

© Salzgeber

Slow
Bei einem Tanzkurs für gehörlose Jugendliche lernt die Tanzlehrerin Elena den Gebärdensprachdolmetscher Dovydas kennen. Zwischen ihnen entwickeln sich romantische Gefühle und sie beginnen zu daten – bis er ihr sagt, dass er asexuell ist. Elena fühlt sich zunächst abgelehnt, aber öffnet sich Dovydas schließlich und geht eine Beziehung mit ihm ein. Ihre unterschiedlichen Bedürfnisse führen schnell zu Konflikten: Sie sehnt sich nach Monogamie inklusive einer sexuellen Verbindung und hat eine klare Vorstellung davon, wie eine „normale Beziehung“ auszusehen hat. Er wiederum hat kein Verlangen danach und möchte ihr die Freiheit geben, ihre Sexualität mit anderen Menschen auszuleben. Mit „Slow“ macht die litauische Regisseurin Marija Kavtaradze deutlich, wie stark heteronormative Ideale zwischenmenschliche Beziehungen beeinflussen – und wie schwer es aufgrund gesellschaftlicher Konventionen sein kann, nach den eigenen Wünschen zu leben. Der Film ist ruhig und unaufgeregt, die Dialoge wie Protagonist*innen sind authentisch und berührend. Das gibt Zuschauer*innen den Raum, sich in die Situation hineinzufühlen – und darüber zu reflektieren, warum es sich lohnt, aus heteronormativen Denkmustern auszubrechen und sich zu erlauben, zwischenmenschliche Beziehungen dynamisch und individuell zu gestalten. Lena Mändlen

„Slow“ LT/ES/SE 2023 (Regie: Marija Kavtaradze. Mit: Greta Grinevičiūtė, Kęstutis Cicėnas u. a., 108 Min., Start: 21.03.)

Jilloun WorldChampionship © WDSF LichtblickFilm

Dancing Heartbeats
„Als ich anfing, bekamen die Männer z. B. fünfhundert Euro Preisgeld und die Frauen ein T-Shirt. Dass wir Frauen wirklich eine Plattform haben, ist erst seit etwa vier Jahren der Fall“, sagte Breakdancerin Jilou unlängst in einem Interview. Sie ist die Erfolgreichste der drei B-Girls, die Lisa Wagner in dieser Doku porträtiert, und tritt im Sommer bei Olympia in Paris an. Jilou ist oft tanzend, aber auch mit ihrem B-Boy-Freund zu sehen, der sich darüber mokiert, dass sie keinen Zucker isst und viel trainiert. Aber von viel kommt eben viel, der Körper muss das aushalten! Davon könnte Frieda erzählen, die eine der ersten deutschen B-Girls war und jetzt, wo ein Schenkel streikt, am Goethe-Institut in Marokko jobbt, wo sie lebt und Tanzwissenschaften studiert. Die dritte im Bunde, Viola, fühlt sich eingeengt beim Breaken. Ihr kommt die Kamera am nächsten, auf behutsame Art – auch, als sie mit ihrem Bruder das Grab der Mutter besucht. Sie geht nach Marseille, findet ihr Glück in einer Tanzkompanie. Wie die drei sich finanzieren, wenn sie nicht battlen, ist kein Thema. Nur Jilou hat einen Sponsor, steht irgendwann in Paris vor ihrem riesigen Werbeplakat. Am Schönsten ist „Dancing Heartbeats“, wenn man sieht, wie die jungen Frauen sich beim Battlen gegenseitig eher pushen als bekämpfen und sich feiern. Barbara Schulz

„Dancing Heartbeats“ DE 2023 (Regie: Lisa Wagner. 92 Min, Start: 09.05.)

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Independence
Der Dokumentarfilm „Independence“ stellt Unabhängigkeitsbewegungen aus verschiedenen Teilen der Welt nebeneinander und erforscht ihre Verbindungen und Unterschiede. Dazu begleitet er die Schwarze Schauspielerin Helen Wendt, die während ihrer Kindheit in Ost- und Westdeutschland immer wieder mit Fragen nach Zugehörigkeit konfrontiert wurde. Ihre persönliche Auseinandersetzung damit führt sie nach Mosambik, das Heimatland ihres Vaters. Dort, wo sich die Menschen nach fünfhundert Jahren Kolonialgeschichte von der portugiesischen Unterdrückung befreit haben, will sie verstehen, was staatliche Unabhängigkeit bedeutet. Dazu kommen politische Akteurinnen aus Mosambik, Katalonien, dem Südsudan, Großbritannien und auch Bayern zu Wort. Dieses gleichberechtigte Nebeneinander der unterschiedlichen Unabhängigkeits-Bestrebungen wirkt irritierend: Der Vorsitzende der Bayern-Partei träumt von einem „unabhängigen, föderalen Bayern“ und will die „fränkischen Kulturschätze“ aus den Münchner Museen zurückholen. Spätestens als BREXIT-Befürworterinnen von ihrer Angst berichten, ihre „Britishness“ zu verlieren und mit britischen Kolonialverbrechen flexen, stellen sich weitere Fragen: Wann führt Zugehörigkeit zu Ausgrenzung und Abschottung? Und worin unterscheiden sich Unabhängigkeitsbewegungen von Befreiungskämpfen? Bo Wehrheim

„Independence“ DE 2024 (Regie: Felix Meyer-Christian, 94 Min., Start: 14.03.)

© Neue Visionen Filmverleih GmbH

Club Zero
Mit Miss Novak kommt eine neue Lehrerin an ein englisches Eliteinternat, an dem die Sprösslinge der Reichen unterrichtet werden. Als Koryphäe auf ihrem Gebiet soll Miss Novak den Jugendlichen bewusstes Essen beibringen. Doch schnell entpuppt sie sich als Missionarin, die im Verzicht auf Essen die Lösung für nahezu alle Probleme sieht und die das Ziel verfolgt, die Jugendlichen für ihren „Club Zero“ zu rekrutieren – eine sektenhafte Gemeinschaft, die der Nahrungsaufnahme gänzlich abschwört. Zwischen den folgsamen Schüler*innen beginnt ein lebensgefährlicher Wettstreit.
Der neue Spielfilm von Jessica Hausner ist eine Erzählung über Konsum, Extremismus und Selbstzerstörung. Sie inszeniert einen satirischen Blick auf eine wohlstandsverwahrloste Gesellschaft, die in ihren Luxusvillen liegt und davon tönt, ihren Kindern Verzicht beizubringen. In solchen Momenten möchte man gleichzeitig lachen und weinen. Ungewöhnlich ist der Kamerablick, der sich durch die komponierten Bilder und auffälligen Farbgebungen der künstlichen Welt von Hausner bewegt. Eigenwillig in der Form, bleiben die großen Überraschungsmomente in der Narration leider aus. Clementine Engler

„Club Zero“ AUT/UK/DE/FR 2023 (Regie: Jessica Hausner. Mit Mia Wasikowska, Sidse Babett
Knudsen, Elsa Zylberstein, Mathieu Demy, Amir El-Masry u. a., 110 Min., Start: 28.03.)

Diese Texte erschienen zuerst in Missy 02/24.