© Zora Asse

Ich stehe im Haus meines Vaters und blicke auf Kisten voll ungeöffneter Post. Dass er mir erlaubt, ihm in seinem Messie-Haushalt unter die Arme zu greifen, hat uns nähergebracht. Mein wachsendes Verständnis für sein beschwerliches Leben führt mich zu der Frage, ob meine eigene Angst vor dem Öffnen von Briefen ebenfalls mehr ist als nur Unfähigkeit, die wir uns beide immer selbst zugeschrieben haben.

Die Angst vor dem Öffnen von Post trägt vor lauter Scham nicht mal einen offiziellen Namen. Genau genommen handelt es sich dabei auch nicht um eine Phobie, sondern um eine Vermeidungsstrategie mit großem Stigma. Sie findet sich nicht im psychiatrischen Katalog – dafür in Beiträgen der Betroffenen in Onlineforen. In diesen schwingt viel Unglaube über das eigene Verhalten mit und die Überzeugung, versagt zu haben. Etwas nicht zu bewältigen, was doch eigentlich normal ist: regelmäßig zum Briefkasten zu gehen, die Post herauszunehmen und sie zu öffnen. Auch für mich ist das unmöglich.

Bei meiner Recherche dazu finde ich fast ausschließlich persönliche Erfahrungsberichte. Neben einer fehlenden Diagnose gibt es zu Briefkastenangst anscheinend auch keine wissenschaftlichen

Erhebungen. Ich finde keine Studien, keine Zahlen und kaum spezielle Angebote für Betroffene. Die Leute, die sich in Foren als Ratgeber*innen zu Wort melden, sind selbst betroffen und haben es entweder geschafft, sich zu disziplinieren, oder sie haben sich entschieden, Hilfe von Freund*innen in Anspruch zu nehmen. Die Angst vor ihrer Post blieb jedoch. 

Auf der Suche nach Ursachen für diese Angst durchsuche ich also medizinische Manuals, Artikel, Interviews und Social-Media-Einträge nach Krankheitsbildern, unter deren Symptome auch die Angst vor Post erwähnt wird. Viele haben einen ähnlichen Symptommix und es ist schwer zu sagen, was nun Henne und was Ei ist, wenn es zur Postangst kommt. Neben Depression, Prokrastination, Messie-Syndrom und ADHS stoße ich als mögliche Ursache auch auf die generalisierte Angststörung. Zu ihr gehört jenes „Katastrophisieren“, also die übertriebene Sorge vor z. B. schlimmen Krankheiten oder dem Tod. Auch die Angst vor Briefen kann eine Ausprägung davon sein. Eine so…