Ist es internalisierte Transfeindlichkeit?
Kolumnist*in:

Als ich zum ersten Mal einen FTM-Porno sah, bezahlten die deutschen Steuerzahler*innen dafür. Es war der Beginn der 2010er-Jahre und ich schaute einem muskulösen, bärtigen Mann dabei zu, wie er sich einen runterholte. Buck Angel wurde damals zur Szeneikone: zum ersten transmaskulinen Pornstar. Ich weiß nicht mehr genau, wie ich damals reagierte, an einem grauen Samstag in den grauen Räumlichkeiten einer politischen Stiftung. Rückblickend male ich mir aus, dass Buck Angel damals nicht nur eine heimliche Erregung in mir auslöste, sondern auch einen Samen in mir pflanzte (sorry), aus dem viel später ein zartes Pflänzchen sprießen würde: das kostbare Wissen, dass ich begehrenswert bin.
Mehr als zehn Jahre später schaue ich fast nur noch Pornos mit transmaskulinen Darstellern. Mit twinky Amateur-Nerds, die alle dreißig Sekunden die Position ihres Handys verändern, während im Hintergrund Big Thief läuft. Mit dem großen Boy mit den blonden Locken, den sein Sexualpartner ganz, ganz nah an sich presst, bevor er ihm liebevoll in den Mund spuckt. In der Zwischenzeit ist der selbsternannte „Tranpa“ (trans Großvater) Buck Angel zu einer extrem problematischen Figur geworden. So bezeichnet er sich selbst als „Frau in einem Männerkörper“ und drückt seinen Support für die transfeindlichen Haltungen der Schriftstellerin J. K. Rowling aus. Was mich aber am meisten kriegt, ist Angels Urteil über jüngere trans Menschen. Ihre Form, trans zu sein (etwa, Pronomen und Vornamen zu ändern, aber keine medizinischen Eingriffe durchzuführen), hält er für nichts als verwirrte Symbolpolitik: „Sie verändern die Spielregeln, aber das hat mit mir nichts zu tun.“
Ich muss zugeben, dass mir selbst eine kritische Haltung gegenüber anderen trans(maskulinen) Personen nicht fremd ist. Menschen, die nach mir ihre Pronomen gewechselt haben, begegne ich insgeheim mit einer Mischung aus Irritation und Angst. Ich unterstelle ihnen, dass sie vielleicht weniger gelitten haben als ich. Als ob das trans Ehrenabzeichen erst durch Blut, Schweiß und Tränen von geschlechtsangleichenden OPs und Hormonbehandlungen verdient werden muss. Dabei habe ich selbst erst vor einem Jahr mit meiner Transition begonnen. Und weiß damit ganz genau, wie dringlich der Wunsch nach einer Veränderung sein muss, um endlich die Pronomen auf Instagram zu ändern. Dass ich mir mehr als sicher sein musste, bis mein eigener cisnormativer Damm brach.
Vielleicht lässt sich meine Irritation genau daraus erklären. Aus meiner eigenen Transfeindlichkeit, der Scham und der Angst vor einem gesellschaftlichen Backlash, die sich übersetzt in ein: „Es reicht jetzt doch auch mal.“ Das kommt nicht von ungefähr: Transness hat seit einigen Jahren eine kulturelle Relevanz, während trans Personen strukturell immer schlechter dastehen. In Deutschland ist die Kostenübernahme bei Mastektomien für transmaskuline Personen gefährdet, Beratungsangebote leiden unter massiven Etatkürzungen. Trans Menschen konkurrieren so um immer spärlichere Ressourcen, um Privatspenden bei GoFundMe-Kampagnen oder einen Platz am (bezahlten) Expert*innentisch von NGOs.
Ich bin mir nicht sicher, ob Empathie jemals geholfen hat. Dennoch wünsche ich dir, lieber Tranpa, dass du dich erinnerst, wie es dir vor dreißig Jahren erging. Wie du aufgewacht bist und plötzlich so sicher wusstest, als hättest du es schon immer gewusst, dass du alles dafür tun würdest, eine Testospritze in den Arsch zu bekommen. Und solange du dich zu erinnern versuchst, schaue ich jüngeren FTM-Pornstars wie Jamal Phoenix oder PuppoMax zu, wie sie sich ficken lassen.
Dieser Text erschien zuerst in Missy 03/24.