Sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe
Von
Interview: Ferda Berse
Triggerwarnung: sexualisierte Gewalt, Krieg, Suizid
Inwiefern haben feministische Bewegungen zur Erforschung von sexualisierter Gewalt in Kriegen beigetragen?
Feministische Bewegungen haben vor allem seit den 1970er-Jahren maßgeblich dazu beigetragen, sexualisierte Gewalt in Kriegen zu erforschen und zu bekämpfen. In diesem Kontext hat sich die sogenannte Männerforschung herausgebildet. Bspw. hat Klaus Theweleit anhand von Tagebüchern von Freikorps aus dem Ersten Weltkrieg die psychologischen Mechanismen hinter Gewaltfantasien und Frauenfeindlichkeit in der männlichen Psyche maßgeblich miterforscht. Danach gab es in den Neunzigern zahlreiche Publikationen, die sich sozialpsychologisch, aber auch soziologisch vor allem mit dem Hass auf Frauen, sexualisierter Gewalt und militarisierter Männlichkeit befasst haben. In den letzten zehn Jahren sind Publikationen erschienen, die explizit sexualisierte Kriegsgewalt zum Thema haben. Dazu gehört auch das Buch „Unsere Körper sind euer Schlachtfeld“ von Christina Lamb.
Ich hätte vermutet, dass sich die Bewegung schon vor den 1970er-Jahren damit beschäftigt hat, da sexualisierte Gewalt auch damals kein neues Phänomen war.
Ja, es gab schon immer sexualisierte Gewalt in Kriegen. Aber es wurde nicht viel darüber gesprochen. Das hat sich vor allem nach den 1990er-Jahren geändert, nach dem Völkermord in Ruanda und den Jugoslawienkriegen, in denen mehr als 25.000 muslimisch bosnische Frauen zielgerichtet vergewaltigt
wurden. Der Bosnienkrieg war ein Marker, weil die betroffenen Frauen währenddessen und danach öffentlich darüber sprachen. Damit wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt, welche Verbrechen in Kriegen an Frauen von Männern begangen werden, und feministische Organisationen haben sich mehr damit beschäftigt. In Deutschland hat sich damals der Verein Medica Mondiale gegründet, der heute in vielen Ländern aktiv ist und Hilfe zur Selbsthilfe für betroffene Frauen wie z. B. in der Ukraine anbietet. In den vergangenen dreißig Jahren hat der Verein Gewalttaten dokumentiert. Außerdem unterstützt er Betroffene bei ihren politischen Forderungen nach einer angemessenen Berücksichtigung von sexualisierter Gewalt als Kriegsverbrechen und der Bestrafung der Täter. Beides passiert bislang nur in Einzelfällen. Eine andere wichtige Organisation ist Women for Justice, die sich nach dem Genozid des sogenannten Islamischen Staates (IS) an den Êzîd*innen 2014 gegründet hat. Sie bieten z. B. vor Ort im Irak und in Kurdistan jur…