Toxische Männlichkeit: Wie Jungs zu Antifeministen werden
Rechte Influencer versprechen jungen Männern Erfolg und Macht als Alpha-Männer. Darauf springen auch vermeintlich feministische Jungs an. Eine Analyse von Incel-Expertin Veronika Kracher.
Teenager-Jahre sind anstrengend. Sie markieren das Ende einer – oftmals nur vermeintlich – sorglosen Kindheit und den Eintritt in eine Welt voller unbekannter Gefühle, Hormonentwicklungen und gesellschaftlicher Erwartungen. Und diese Erwartungen sind immer an geschlechtliche Performance gekoppelt. Mädchen werden sexualisiert, sobald ihnen die ersten A-Cups wachsen; sie müssen patriarchalen Schönheitsnormen entsprechen und erfahren Ausgrenzung, wenn sie es nicht tun, also die komplette Brutalität des „Zur-Frau-gemacht-Werdens“. Transgeschlechtliche Jugendliche erfahren die Zurichtung, einen Körper und eine Sozialisation aufgebürdet zu bekommen, die ihrer eigenen Geschlechtsidentität widersprechen. Und Jungs? Die dürfen bloß nicht an gesellschaftlichen Vorstellungen hegemonialer Männlichkeit scheitern, sonst drohen ihnen Verurteilung und Sanktionen.
Hegemon ist, wie die Geschlechterforscherin Raewyn Connell in ihrem Klassiker der Männlichkeitsforschung „Der gemachte Mann“ analysiert, der Mann, der über seinen Geschlechtskameraden steht, der „Giga-Chad“, der Mann, den die Ladys begehren und den andere Männer beneiden. In Deutschland ist dieser Mann weiß, normschön, tendenziell christlich sozialisiert, finanziell und sexuell erfolgreich, heterosexuell und cisgeschlechtlich, charismatisch, charmant, gut
angezogen und besitzt zudem die materiellen Marker erfolgreicher Geschlechterperformance wie schicke Autos, denn: Hegemoniale Männlichkeitsvorstellungen sind untrennbar mit dem kapitalistischen Glücksversprechen verbunden.
Jungen, die hingegen im Männlichkeitsrennen auf der Strecke bleiben oder sich dem Ganzen gar nicht erst aussetzen wollen, weil sie keinen Bock haben oder weil sie übergewichtig, behindert, arm oder queer sind, erfahren regelmäßig die Grausamkeit des herrschenden Geschlechterverhältnisses. Wie Connell oder auch Pierre Bourdieu analysieren, wird cis Jungen von klein auf vermittelt, dass der Umgang innerhalb männlicher Strukturen von Konkurrenzverhalten geprägt ist. Anstatt kooperativ miteinander interagieren zu lernen, wird Jungen ein kompetitives Verhältnis zueinander eingebläut.