Seit Jahren ist zu beobachten, dass die globale Rechte die klassisch linke Diskursfigur des Free Speech gekapert hat. Neue Rechte verkünden, es sei befreiend, rechts zu sein, weil man dann endlich alles sagen dürfe. Die Linke wird als verbotsbesessen und spaßbefreit dargestellt, Rechtsextreme wie Maximilian Krah stehen dagegen für jugendliche Unterhaltung auf TikTok. Wie kam es zu dieser Umkehrung?
Damit der angestaubte Sexismus und Rassismus eines Krah etwas von Rebellion haben kann, braucht es die Konstruktion eines links-liberalen Establishments, das angeblich Sprechverbote erteilt.

Was es tatsächlich gibt, ist eine öffentliche Auseinandersetzung, in der sich jede Position zusammen mit der Sprache, in der sie sich artikuliert, rechtfertigen muss. Mit der von rechts praktizierten „Free Speech“ hingegen geht tendenziell eine Abkehr vom Raum der öffentlichen Auseinandersetzung einher. Natürlich gab es das schon immer als Mittel der Polemik (zuweilen auch von links), andere Parteien im Diskursraum nicht als satisfaktionsfähig anzuerkennen, um sich gar nicht erst mit deren Positionen beschäftigen zu müssen. Aber das hat jüngst eine neue Qualität angenommen, die die Struktur der Öffentlichkeit selbst betrifft. Es gibt nicht mal mehr den Hauch eines Ehrgeizes, sich in gemeinsamen Foren zu behaupten. Und dann verzerrt sich die Idee der Meinungsfreiheit von einem demokratischen Grundbegriff zu einem rechtspopulistischen Kampfbegriff. Ich halte das für ein Symptom der finsteren Zeiten, in denen wir leben. „Finstere Zeiten“ ist eine Formulierung von Bert Brecht, mit der Hannah Arendt Zeiten benennt…