Russlands queerfeindliche Propaganda
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In einem knapp 15 Quadratmeter großen schmucklosen Zimmer in einem Vorort von Paderborn kann Vladimir endlich aussprechen, was da, wo er herkommt, eine Gefängnisstrafe nach sich ziehen würde: „Ich hasse diesen Krieg. Ich will, dass Russland ihn haushoch verliert, dass dieser Wahnsinn ein Ende hat.“ Der Krieg habe das Hässlichste in den Menschen hervorgebracht, eine Spirale aus sinnloser Gewalt und Toten. Selbst seine Eltern in Russland würden denken, Putin sei der Retter der Nation.
Als der Angriff auf die Ukraine beginnt, ist es Nacht im sibirischen Nowosibirsk. Vladimir verfolgt die Geschehnisse auf seinem Handy. Bilder von Panzern und Explosionen flackern über seinen Handybildschirm. Er wartet, bis Denis am Morgen aufwacht. Dann sagt er zu ihm: „Der Krieg hat begonnen.“ Ab dem 24. Februar 2022 schlafen Vladimir und Denis über Wochen selten länger als drei
Stunden am Stück. Sie stecken ihre gesamte Energie in einen Plan: Sie werden Russland verlassen.
Schon lange fährt die russische Regierung eine öffentlichkeitswirksame Diskriminierungs- und Diffamationskampagne gegen queere Menschen. Bereits 2013 verabschiedet sie ein Gesetz über das „Verbot von LGBT-Propaganda unter Minderjährigen“. Auf öffentlichen Werbeflächen, im Fernsehen und Radio läuft eine Hetzkampagne, die Homosexualität mit Pädosexualität gleichsetzt. In den kommenden Jahren vervierfachen sich die Hassverbrechen gegenüber Queers. Doch mit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 wird LGBTIQ-Feindlichkeit zur offiziellen Staatsdoktrin. Im Dezember 2022 wird der Hass mit der Verabschiedung des Gesetzes über sogenannte „Propaganda für nicht traditionelle sexuelle Beziehungen“ noch weiter juristisch abgesichert. Das Zeigen einer Pride-Flagge ist damit z. B. eine Straftat. Die Gewalt und Denunziationen führen zu einem Klima, das Vladimir, Denis und Tausende queere Menschen ins Ex…