Widerständige Kunst für alle
Von
Interview: Selma Selman
Du bist in Bihać, einer Kleinstadt in Bosnien-Herzegowina, innerhalb einer Rom*nja-Familie aufgewachsen, die sich den Lebensunterhalt mit dem Sammeln und Recyceln von Altmetallen verdiente. Wie war dein Weg an die Kunsthochschule?
Als ich klein war, haben wir ständig mit meinen Geschwistern und Cousin*en Wettbewerbe gemacht, wer am besten zeichnen kann. So entdeckte meine Familie, dass ich sehr talentiert war. Als mein Bruder sich an der Oberschule bewarb, habe ich das auch getan. Danach ging ich auf die Fine Arts Akademie in Banja Luka. Während meiner Schulzeit bekam ich Malereiaufträge, mein Vater war mein Manager. Die Leute wollten, dass ich alles male: Pferde, Esel, Friedhöfe, Blumen, Porträts von Menschen, alles. Manchmal bis zu zehn Aufträge pro Tag; ich war im Grunde ein Roboter. Ich konnte mit beiden Händen
malen, links und rechts, und manchmal musste mir meine Familie mit den Grundierungen helfen, damit ich rechtzeitig fertig wurde – so haben meine Familie und ich viele Jahre lang von meinen Bildern gelebt. Für mich ist die Kunstwelt also ein faszinierender Ort, denn ich habe viele Jahre in der realen Welt gelebt – von meiner Kunst.
Während deines Kunststudiums hast du eine Stiftung für Mädchen aus Rom*nja-Familien gegründet, damit sie die Schule in Bihać abschließen können.
Ja, ich habe sie 2017 mit 26 Jahren gestartet, mitten im Studium, als ich selbst dachte: Wie soll ich in dieser Scheißwelt überleben? Aber ich dachte auch, wenn ich meine Stiftung jetzt nicht starte, dann werden einige Mädchen nicht fertig. Ich habe mit fünf Mädchen begonnen, jetzt sind es fünfzig, und es werden immer mehr. Als ich anfing, sie mit Stipendien und Gratismahlzeiten zu unterstützen, haben nur zwanzig Prozent die neunjährige Hauptschule abgeschlossen, aber nach sieben Jahren Stift…