Obwohl wir beide in Zürich leben, treffe ich Çiğdem Akyol online. Ein Call findet leichter Platz zwischen Lohn- und Care-Arbeit. Technische Probleme wollen, dass wir uns dabei nicht sehen können, aber Schweiz-Schimpfe und Zweite-Generation-Gastarbeit-Bonding gehen auch gut über Audio. 

Wir sprechen vor allem über Çiğdem Akyols literarisches Debüt „Geliebte Mutter – Canım Annem“. Der Roman erzählt die Geschichte von Aynur, die von ihrem Bruder mit Alvin verheiratet wird. Dieser ist vor Kurzem von Ostanatolien nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten. Die Ehe ist geprägt von Konflikten und Gewalt. Darunter leiden auch die Kinder der beiden, Meryem und Ada. Sie versuchen, ihren eigenen Weg zu gehen, der von Rassismus und Klassismus geprägt ist. Als Alvin stirbt und in der

Türkei beerdigt wird, kommt die ganze Familie zusammen, ihrer konfliktgeladenen Geschichte zum Trotz. 

Ein weiterer postmigrantischer Roman? Von denen kann es nicht genug geben, auch wenn in den letzten Jahren einiges veröffentlicht wurde, wie z. B. Fatma Aydemirs „Dschinns“ oder Shida Bazyars „Drei Kameradinnen“. Es scheint ein Publikum für diese Geschichten zu geben, abseits der typisch weißen, bürgerlichen Literaturklientel. Genau diese Leser*innen hat Çiğdem Akyol im Sinn: „Mir ist es wichtig, Menschen zu erreichen, die sozialisiert wurden wie ich. Menschen, die nicht nur eine urdeutsche Geschichte lesen wollen. Wir sind ein Teil der Gesellschaft, und diese Geschichten gehören erzählt.“

Im deutschsprachigen Literaturbetrieb wird Romanen von marginalisierten Autor*innen oft der Stempel „autofiktional“ aufgedrückt – etwas, das mit Abwertung einhergehen kann. Würde sie ihren Roman denn als Autofiktion bezeichnen? „Nein“, antwortet die Autorin. „Meinen Geburtsort Herne…