Coming of Middle Age
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Die Entwicklung menschlicher Sexualhormone ist endlich Teil großer Literatur. Dargestellt als eine Kurve ist sie quasi Protagonistin in Miranda Julys sensationellem, sexpositivem Roman „Auf allen vieren“. Die Kurve, die Julys Hauptfigur im Roman sehr beschäftigt, zeigt an, wie um den zehnten Geburtstag eines Menschen herum die herkömmlich als weiblich und männlich benannten Sexualhormone Östrogen, Progesteron und Testosteron raketenhaft nach oben schnellen: Fruchtbarkeit bzw. Pubertät is calling. Der spätere, wiederum krasse Abfall von Östrogen und Progesteron bei Menschen mit Eierstöcken wurde bisher nicht gerade euphorisch besungen. Während bei cis Männern das Testosteron meist eher gleichmäßig bis zum Lebensende zurückgeht, markiert dieser brutal abstürzende Graph ein vermeintlich ultimatives, unwiderrufbares Verfallsdatum. Die biologische Uhr, die mit der Pubertät leise zu ticken
anfängt, kündigt nun einen Endspurt an. Statt eines sexuellen Erwachens droht in der Mitte des Lebens ein böser biologischer Kalauer: ausgetickt, ausgefickt. Simone de Beauvoir behauptete in „Das andere Geschlecht“, dass der Frau ihre Weiblichkeit nun schlagartig genommen werde, sie sei ihrer Zukunft beraubt. Kein Wunder, dass selbst feministische Autorinnen das Thema meistens großflächig umschifft haben.
Entsprechend wenig ist über die Wechseljahre bekannt – besonders das Sexleben scheint nebulös. Für mein Buch „Die gereizte Frau“ habe ich mich erkundigt: „Eine 52-jährige Single-Freundin erzählt mir, dass sie durchaus Interesse an Dating hätte, sich aber überhaupt keinen Sex mehr vorstellen könne. Selbst ein Besuch bei ihrem Gynäkologen bereitet ihr so immense Schmerzen, dass allein der Gedanke an Penetration sie erschaudern lässt. Ich erzähle einer anderen Freundin davon. Sie ist 42, hat jede Menge Sex und Dating-Erfahrung und plant auch überhaupt nicht, damit aufzuhören. Ihre Rea…