Du bist doch gar nicht fett, du bist schön!“, höre ich öfter. Aber warum kann ich eigentlich nicht fett und schön sein? Ich bin 1,65 Meter groß und trage Kleidergröße 52/54. Beim Einkaufen nennt man meinen Körper „curvy“ oder „plus size“. Meine deutsche Oma nannte ihn „mollig“, wohlmeinende Erwachsene sagen „vollschlank“ oder „füllig“. Doch alle meinen den gleichen Körper und der ist fett. Früher fuhr ich erschrocken zusammen bei dem Wort, das ich mit Mobbing und Gewalt verband, aber heute fühle ich mich in dem Begriff zu Hause. Fettsein ist für mich Identität, Community und Selbstakzeptanz. Wie kommt das?

Dicke und fette Körper sind in unserer Gesellschaft keine erwünschten Körper. Das zeigt sich an verschiedenen Systemen, z. B. der Diätindustrie, die Geld damit verdient, Angst vor dicken und fetten Körpern zu schüren; dem Gesundheitssystem, das darauf ausgelegt ist, dicke und fette Körper zu „verhindern“ oder zu dünnen Körpern zu machen; Medien, die immer wieder darüber berichten, wie gefährlich und teuer fette Menschen für die Gesellschaft seien – und der Politik, die es versäumt, wirksame Gesetze gegen diese Diskriminierung zu erlassen. Die Worte „dick“ und „fett“ werden gesamtgesellschaftlich nicht neutral beschreibend, sondern moralisch aufgeladen genutzt: Dick oder fett zu sein heißt nicht nur, mehr zu wiegen als die Norm, sondern auch undiszipliniert, faul, ungebildet, arm und krank zu sein. Dünnsein hingegen bedeutet das Gegenteil. So lernen dicke und fette Menschen, sich vor den Begriffen „dick“ und „fett“ zu fürchten und sie zu meiden, während dünne Menschen lernen, sie gezielt als Waffe gegen dicke und fette Menschen einzusetzen.

Die Wertungen, die die Worte „dick“, „fett“ und „dünn“ enthalten, entspringen Fettfeindlichkeit – der Diskriminierung, die dicke und fette Menschen erleben. Gegenwehr begann sich in den 1960er-Jahren in den USA unter dem Namen Fat Acceptance Movement zu formieren. Wie schon der Name der Bewegung zeigt, war es den Aktivist*innen wichtig, sich des Wortes „fat“ anzunehmen, statt es denjenigen zu überlassen, die dicke und fette Menschen damit abwerten. Sie wollten sich nicht mehr für das Fettsein schämen und benannten stattdessen, was tatsächlich das Leben fetter Menschen erschwert: Stigma, Gewalt und Diskriminierung. Ähnlich wie mit dem Begriff „queer“ sollte die Aneignung des Wortes „fat“ die Scham durchbrechen und ermöglichen, sich positiv mit dem Begriff zu identifizieren. „Fat“ wurde außerdem als Alternative zu pathologisierenden Begriffen aus der Medizin verstanden, wie „Übergewicht“ oder „Adipositas“. Die Bewegung fand Worte für die Diskriminierung, die dicke und fette Menschen erleben, und schuf Räume, in denen sie sich organisieren konnten, um gegen diese Diskriminierung zu kämpfen.

In Deutschland kennen wir mit „dick“ und „fett“ zwei Begriffe für das Englische „fat“. Für manche Menschen sind „dick“ und „fett“ austauschbare Begriffe, während wiederum andere sie als ein Spektrum verstehen, das darstellt, wie viel Ausschluss und Abwertung unsere Körper erleben: Dicke Körper werden unterdrückt, stoßen aber auf weniger Barrieren und erleben weniger Abwertung als fette Körper. 

Da die Stigmatisierung dicker und fetter Körper immer noch weitgehend normalisiert ist, ist es manchen Aktivist*innen wichtig zu kennzeichnen, dass mit den Begriffen „dick“ und „fett“ eine positive Selbstbeschreibung gemeint ist – keine abwertende Fremdbeschreibung. Aus diesem Grund benutzen einige auch andere Schreibweisen wie z. B. „phat“, „fett*“ oder „dick_fett“.

So oder so: Wichtig ist, dass Fettaktivist*innen sich weitgehend einig sind darüber, dass „dick“ und „fett“ politische Begriffe sind, denn sie markieren eine Position im System.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 05/24.