Hi! 

Ich musste neulich an eine Kritik denken, die uns immer um die Ohren gehauen wird, wenn wir Stellen ausschreiben: Bei Missy würden nur Rich Kids arbeiten. Wenn wir Stellen ausschreiben, schreiben wir den Lohn dazu. Das heißt, es gibt prominent zu lesen, dass unser Stundenlohn 18 Euro brutto beträgt. Wir wissen, dass das nicht viel Geld ist. Es ist der Lohn, den wir uns bei unseren aktuellen Einnahmen und Abozahlen leisten können. An Missy verdient niemand mit. Wenn mehr Geld da ist, wird es an alle verteilt: unser kleiner Missy-Kommunismus. Alle Kolleg*innen verdienen bei uns dasselbe, unabhängig von Ausbildung, Berufserfahrung und auch davon, wie viel Verantwortung die Person trägt. Gleicher Lohn für alle ist aber keine finale Lösung für Gerechtigkeit. 18 Euro sind weniger, wenn man sich um ein Kind oder eine Person der Wahlfamilie kümmert, und 18 Euro sind nicht so arg, wenn man keine Miete zahlen muss, weil die Wohnung, in der man lebt, Eigentum ist. Von politischen Lohnstrukturen sind wir weit entfernt. Aber: Gleicher Lohn für alle ist das Utopischste, was wir uns im Moment leisten können. Ich finde ein Lohnsystem erstrebenswert, in dem alle gleich viel Geld verdienen, auf das dann Prämien aufgeschlagen werden können. Bspw. eine Prämie für Kinder oder die Pflege von Freund*innen. Andere könnten sagen: „Ich möchte in einen besonderen Urlaub fahren, ich brauche das!“, und dann würde man dafür eine Prämie bekommen. Und wieder andere, die bspw. zwei Einkommen haben, bleiben beim Grundgehalt. Das alles würde man im Konsens entscheiden, entsprechend dem, was die Gruppe als Ganzes braucht. Aber genug geträumt, zurück zu der Frage, ob Missy nun von Rich Kids gemacht wird (Spoiler: nein). Klassismuskritik ist wichtig. Wer kann es sich leisten, prekär zu arbeiten? Der Zugang in den Journalismus ist schwierig. Wem es nicht möglich ist, zu studieren und unbezahlte Praktika zu machen, der*die wird es schwerer haben oder vielleicht sogar aufgeben. Deutsche Medien haben ein Diversitätsproblem, das belegen zahlreiche Studien. Diese fehlende Vielfalt hat etwas mit Klassenzugehörigkeit und Zugängen zu tun. Menschen können es sich leisten, prekär zu arbeiten, wenn sie im Zweifelsfall „weich fallen“. Wenn man im Gegensatz dazu mit Ende zwanzig schon darüber nachdenken muss, wie man die Rente der Eltern finanzieren kann, weil auch sie ihr ganzes Leben prekär gearbeitet haben, dann ist der Missy-Stundenlohn vielleicht zu wenig. Dazu kommt: Gerade in Großstädten gibt es Armuts-Cosplay von Bürgi-Kids. Da wird darüber lamentiert, dass man gerade so wenig Kohle hat, obwohl man in einer Wohnung wohnt, die die eigenen Eltern gekauft haben. Dagegen hilft nur Transparenz! In Freundeskreisen, Familien und Communitys wird zu wenig über Geld und Gehälter gesprochen. So entsteht Misstrauen und klassistische Strukturen werden zementiert. Bei Missy arbeiten all die marginalisierten Gruppen, die in anderen Medien fehlen oder unterrepräsentiert sind. Es ist also schon statistisch unwahrscheinlich, dass wir alle Bürgis sind. Missy ist ein Job mit politischem Anspruch in einem Umfeld, das zumindest versucht, feministische Prinzipien in der Lohnarbeit umzusetzen (das ist mein Cliffhanger zur nächsten Kolumne, da werde ich mehr darüber erzählen). Ich würde es so sagen: Alle, die bei Missy arbeiten, sind dazu bereit, zu ihrem eigenen Nachteil unter diesen prekären Bedingungen zu arbeiten, weil sie es wichtig finden, dass es Missy gibt. Und ich glaube daran, dass wir das gemeinsam verändern können! Dass wir ein feministisches Lohnsystem etablieren können, in dem Gerechtigkeit am Arbeitsplatz erprobt werden kann. Missy hat die besten Voraussetzungen dafür, Pionier*innenarbeit zu leisten, wir brauchen nur die Kohle, um alle besser zu bezahlen. Deshalb: jetzt Missy-Abo abschließen oder verschenken.

Wenn ihr Feedback oder Fragen habt, meldet euch gern hier: mehr@missy-mag.de (aber gebt mir Zeit mit dem Antworten, ich habe viel zu tun). 

Dieser Text erschien zuerst in Missy 05/24.