© Meklit Fekadu Tsige

Berlin-Charlottenburg, ein sonniger Herbsttag. Joy Denalane kommt überpünktlich zum Interview in das schicke Café, in dem wir verabredet sind. Sie begrüßt mich mit einer herzlichen Umarmung und bestellt Matcha Latte mit Hafermilch und eine Flasche Sprudelwasser. Bald steht ihre Silberhochzeit an. Davon weiß sie aber gar nichts. Denalanes PR-Agentur nennt „Alles Liebe“, ihr erstes gemeinsames Album mit Ehemann Max Herre, „eine „silberne musikalische Pop-Hochzeit“ – seit 25 Jahren machen sie gemeinsam Musik. „Echt? Lustig!“, kommentiert die gebürtige Berlinerin lächelnd, die Sonne scheint auf ihre herbstgold geschminkten Augen. Vielleicht findet sie die Einordnung ihres Publicity-Teams deswegen lustig, weil ihre ersten Karriereschritte ohne Herre schon viel länger zurückliegen als eine

Silberhochzeit, 32 Jahre nämlich? In den Tagen vor unserem Treffen hat sie gleich drei Musikvideos gedreht, steckt mitten in der Promophase für das Album und bereitet sich auf die anstehende Tour vor. Trotz des hohen Arbeitsaufwands wirkt die 51-Jährige entspannt. Schließlich ist sie Vollprofi: Seit Jahrzehnten macht sie Soul und R’n’B auf Deutsch. Sie hat mit der Sprache, die als hart und zweckmäßig gilt, zärtliche Musik gemacht – als Frau im deutschsprachigen Mainstream damals einmalig, was Denalane zur Pionierin macht. Wer 2002 ihre zeitlose Soul- und Trennungshymne „Geh’ jetzt“ gehört hat, bekam das Gefühl, selbst von der Partnerperson betrogen worden zu sein. In einer Zeit, in der jeder veröffentlichte Song vom Gutdünken weißer Labelbosse abhing – und bevor Myspace, Soundcloud und TikTok überhaupt erfunden waren –, erkämpfte sich Denalane den Raum, so Musik zu machen, wie sie es wollte.

Als Kind legte die Musikerin gerne die Funk- und R’n’B-Platten ihres südafrikanischen Vaters …