Buchcover: Anna Brüggemann „Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen“

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
Von außen betrachtet sind die Richters eine Bilderbuchfamilie: Vater, Mutter und zwei Töchter, in mittlerem Wohlstand in einem Häuschen in Bielefeld lebend. Die Abgründe, die sich hinter der vermeintlichen Idylle verbergen, offenbaren sich subtil. Drehbuchautorin und Schauspielerin Anna Brüggemann schreibt in ihrem zweiten Roman „Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen“ mit großem Einfühlungsvermögen und genauem Blick. Schon auf der ersten Seite wird klar, welche der Töchter Mutter Reginas Liebling ist – diejenige nämlich, die ihr am meisten ähnelt. Trotz Reginas

persönlicher Unzulänglichkeiten wird sie in Brüggemanns feiner Figurenpsychologie nicht als Monster gezeichnet, sondern als Narzisstin, die aber das Beste für ihre Tochter will. Eine von vielen unauflösbaren Diskrepanzen des „ganz normalen Lebens“, das in diesem Roman immer wieder Risse bekommt. Der sanfte Vater verblasst an der Seite seiner glamourösen, stets bestens informierten Ehefrau, die sich einerseits über das traditionelle Familienmodell lustig macht, gleichzeitig aber genau diese bürgerliche Fassade aufrechterhalten will. Beide Töchter, auch die bevorzugte, entwickeln Symptome, die das Wunschpanorama der Mutter empfindlich stören. Weder Magersucht noch Leistungsverweigerung hatte Regina für beide vorgesehen, die doch ihre unerfüllten Träume leben und verwirklichen sollten – was sie am Ende auch tun, nur ganz anders als geplant. Christina Mohr

Anna Brüggemann „Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen“ ( Ullstein, 384 S., 22,99 Euro )

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