Super-GAU
Das Erdbeben in Sendai 2011 hatte in Japan verheerende Auswirkungen: Es zog den Tsunami nach sich, der zur Atomkatastrophe in Fukushima führte. Episodisch erzählt die Zeichnerin Bea Davies in „Super-GAU“ von Betroffenen, deren Wege sich im Laufe des Bandes teilweise kreuzen. Die Geschichte steigt direkt mit dem unvorhergesehenen Beben ein. Davies sorgt mit hohem Tempo und aufgebrochenen Panels dafür, dass der Atem regelrecht stockt beim Lesen. Das meisterhafte Spiel mit den Schwarz- und Grautönen sorgt trotzdem für eine gewisse Ruhe: Warmgrau verlaufende Aquarellhimmel mit ästhetischen Wolkenkonstellationen stehen im Kontrast zur katastrophalen Zerstörung – Trümmerhaufen und brachiale Riesenwellen. Ein paralleler Erzählort ist Berlin. „Super-GAU“ geht Einzelschicksalen nach und macht sichtbar, welche Kreise ein solches Desaster zieht. In ihrem Autorinnendebüt beweist die in Italien geborene und in Berlin lebende Davies, dass sie neben dem gekonnten Spiel von Licht und Schatten ausdrucksvolle Charaktere schaffen kann. Statt die Katastrophe auszuerzählen, wird ihr so eine schmerzliche Erinnerung gesetzt. Amelie Persson

Bea Davies „Super-GAU“ Carlsen, 208 S., 26 Euro 

Ella. Nichts haben, alles ändern
Gabriele „Ella“ Rollnik war Mitglied der Bewegung 2. Juni, die die rigiden Kaderstrukturen der RAF kritisierte und diese unterstellte ihr daher „Feierabendterrorismus“ (bei einem Banküberfall verteilten sie Schokoküsse). Diese Graphic Novel erzählt ihre Biografie von der politischen Frühsozialisation im Ruhrgebiet über ihre Absage an eine bürgerliche Akademikerinnenexistenz und den Anschluss an die Bewegung bis zu den von Isohaft und Hungerstreik geprägten Jahren im Gefängnis. Durch die zeitliche Verdichtung kommen prägende politische Großereignisse in dem in Schwarz-Weiß und Graugrün gehaltenen Band, in dem ohne klassische Panels auf jeder Seite ganz viel gleichzeitig passiert, oft nur als Schlagzeilen vor („Die Todesnacht von Stammheim!“). Doch lange Diskussionen zwischen Ella und ihren Mitstreiter*innen machen das mühsame Ringen um die richtigen Positionen in einem auch immer international gedachten Kampf gegen Unterdrückung deutlich. Kann es Zufall sein, dass dieser Band just in dem Moment erscheint, in dem die Weltordnung radikal auf rechts gedreht wird?  Sonja Eismann

Uta Röttgers & Michael Weber „Ella. Nichts haben, alles ­ändern“ Galerie der abseitigen Künste, 212 S., 26 Euro

Diese Texte erschienen zuerst in Missy 02/25.