Interview: Serah Ebcinoglu, Maike Huber

Zwei Frauen mit Lederklamotten un Gitarre, in einem Café.
© Lucia Jost

Ihr seid die Ersten, die in Deutschland Riot Grrrl bekannt gemacht haben. Inwieweit prägt euch der Stil der feministischen Punkbewegung bis heute?
K: Ich war schon immer ein Paradiesvogel. Wie so oft in der Musikgeschichte sind die Männer, die damals zeitgleich mit uns die Hamburger Schule geprägt haben, heute berühmter als wir. Aber auch wenn wir mit unserer Band The Doctorella nie in den Charts waren, sah ich mein ganzes Leben aus wie ein richtiger Popstar. Feminin und dabei auf die Fresse. Ich hatte schon früh viele ähnliche Erlebnisse wie die Riot Grrrls der USA und mich deswegen seelenverwandt mit ihnen gefühlt.
S: Kurze Röcke und Lippenstift waren auch Teil des Frauenbilds, das wir in unserer Jugend bekämpft haben. Riot Grrrl hatte aber ein Punk-Element. Beim Rosa der 1990er-Jahre ging es darum, sich die zerbrochene Kindheit zurückzuholen durch übertrieben mädchenhaftes Aussehen. Wir wollten Femininität ad absurdum führen. Es war auch ein radikaler Protest gegen die Zuschreibungen, dass Feminismus dröge ist.

Inwieweit ist Style auch ein Geldthema?
S: Viele Riot Grrrls kamen ja aus Familien der „oberen Mittelschicht“, wir auch. Dann ist unserer Familie durch Scheidung das Geld ausgegangen. Erst wurden wir in der Schule wegen ausgefallener Kleidung gemobbt, dann, weil kein Geld mehr da war. Ich habe meist secondhand gekauft, aber die Vision vom Outfit, das man gern tragen würde, ist oft dem Glück, es zu finden, unterlegen.
K: Heute kaufen wir beide fast nur bei Desigual, der Laden ist mein Sargnagel.
S: Ja, das ist natürlich auch ein bisschen Verrat an der DIY-Idee von Riot Grrrl.

Inwieweit inspiriert ihr euch als Zwillingsschwestern gegenseitig – oder grenzt ihr euch voneinander ab?
K: Ich hatte immer schon ein starkes Identitätsgefühl, deswegen muss ich mich nicht äußerlich von Sandra abgrenzen. Aber sie bewahrt mich vor noch verrückteren Auftritten – das ist gut.
S: Wir sahen auch nie gleich aus. Ich war schon immer etwas androgyner als Kersty und will Femininität in jedem Outfit durch Männliches brechen.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 02/25.

© Lucia Jost