Lieblingsstreberin: Pina Kaiser
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Eine der vielen guten Eigenschaften der Mockumentary-Serie „Die Discounter“ ist, dass sie zwar meist in Filialen der fiktiven Supermarktkette Kolinski spielt und deren Angestellte die Protagonist*innen der Serie sind – zugleich aber fast nie jemand wirklich arbeitet. Bis auf eine Ausnahme: Pina. Während Flora (Nura Habib Omer aka Nura) im Kühlraum bumst, Lia (Marie Bloching) mit Nackenstütze an der Kasse pennt, Minijobber Samy (David Ali Rashed) am Handy hängt und Filialleiter Thorsten (Marc Hosemann) in seinem Büro alles tut, außer die Filiale zu leiten, ist Pina (Klara Lange) die Einzige im ganzen Laden, die einen Plan hat von Einzelhandel. Nicht nur das: Sie ist auch noch hochmotiviert und interessiert sich wirklich für ihren Job, was sie von all ihren Kolleg*innen unterscheidet. Trotzdem wird die junge stellvertretende Filialleiterin nie ernst genommen, am wenigsten von Thorsten, dem sie durch ihre strukturierte Art und ihr Wissen ständig aus der Klemme hilft. Das macht sie nicht nur aus uneigennützigen Motiven, denn unterwürfig ist Pina nicht, sondern zielstrebig: Sie will die Leitung des Supermarkts übernehmen. Dafür muss sie verhindern, dass die Filiale aufgrund der ausgeprägten Inkompetenz von Thorsten geschlossen wird.
Während Pina vier Staffeln lang ihrem Ziel näherkommt, entwickelt sie sich auch persönlich weiter. Am Anfang noch eher schüchtern und laut Selbstbeschreibung „Jungfrau“, wird aus ihr eine selbstbewusste bisexuelle Frau, die trotz gelegentlichen Mobbings durch die anderen bereitwillig hilft, als etwa Flora Unterstützung dabei braucht, ins Frauen-Dating einzusteigen.
Ihre fröhliche Offenheit hat allerdings die Kehrseite, dass ihr ein natürliches Cringe- Empfinden fehlt – doch da funktioniert die Kolinski-Belegschaft wunderbar als Korrektiv. Als Pina z. B. auf der Weihnachtsfeier eine Spoken-Word-Einlage startet, die die höchste Fremdscham-Alarmstufe auslöst, stoppen die anderen sie umgehend. Dass Pina ihnen so was nicht krummnimmt – nachtragend zu sein gehört nicht zu ihren Eigenschaften –, ist wie so einiges an der Serie zwar nicht gerade glaubhaft, dafür aber umso wholesomer.
Die vier Staffeln von „Die Discounter“ laufen bei Amazon Prime.
Dieser Text erschien zuerst in Missy 03/25.