Musik als Kampfansage
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Manikürte Finger bohren sich langsam in eine sahnige Torte. Süße Soße spritzt heraus und läuft über die Hand der Sängerin Faravaz Farvardin. Im nächsten Shot leckt ihr ein halbnackter Mann Sahne vom Körper. Was in einem anderen Kontext vielleicht ein Klischee aus einer Male-Gaze-Perspektive wäre, ist bei Faravaz ein Mittel der Selbstermächtigung. In dem Video zur poppigen Single „Dessert“ zeigt sie sich gezielt sexy und ungehemmt am Genießen – Dinge, die ihr als dicke Person oft abgesprochen und als Frau, die in Iran aufgewachsen ist, sogar verboten wurden. „Als Kind wurde mir immer gesagt, ich darf keine Süßigkeiten essen, weil ich dick bin und mich niemand attraktiv finden wird“,
sagt Faravaz im Gespräch. Heute scheißt sie darauf und singt: „I deserve dessert.“ „Es geht darum, als dicke Person Spaß zu haben, das Leben zu genießen, zu tanzen, Sex zu haben und einfach zu existieren“, erklärt sie.
Faravaz Farvardin ist in Teheran aufgewachsen, wo das alles nicht möglich wäre. In Iran ist es Frauen verboten, sich frei auszudrücken, zu singen, zu tanzen, die Haare zu zeigen oder sich nach Belieben zu kleiden. Wer sich dem widersetzt, riskiert eine Haftstrafe oder Schlimmeres. So auch Faravaz, die sich dennoch nicht vom Singen abhalten ließ, bei Underground-Konzerten in Iran auftrat und internationale Bühnen bespielte, bis sie während eines Aufenthalts in Deutschland im Jahr 2018 in Iran zu einem Jahr Haft verurteilt wurde. Seitdem lebt Faravaz im Exil, von wo aus sie Musik veröffentlicht, die sich frei von Eingrenzungen macht. Auf ihrem Debütalbum „Azadi“ (Farsi und Kurdisch für Freiheit) geht sie nahtlos von lang gezogenen Vocals in kantigen Rap über, mischt Farsi und En…