Patriarchale Tropes in „Cassandra“
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Mit über 14 Millionen Views hatte die Netflix-Serie „Cassandra“ weltweit den erfolgreichsten Start einer deutschen Produktion, seit in der Emmy-ausgezeichneten Serie „Liebes Kind“ eine Mutter mit ihren Kindern jahrelang in totaler Isolation gefangen gehalten wurde. Auch „Cassandra“ ist ein Thriller, in dem es um Familie und Mutterschaft geht. In der sechsteiligen Serie wird eine Hausfrau aus den 1960er-/1970er-Jahren von ihrem technisch brillanten, aber konservativen Ehemann nach ihrem Krebstod in eine fühlende Haushalts-KI verwandelt. Integriert ins Smart Home ist sie, Cassandra (Lavinia Wilson), fortan untrennbar mit dem Haus verbunden, um dessen Bewohner*innen sie sich kümmern soll. Als eine Familie der 2020er-Jahre einzieht – nicht-weiß und teils queer, beides voll normal –, könnte es zum Clash der Weltbilder kommen. Doch die digitalisierte Hausfrau ist offener,
als ihr Auftreten vermuten lässt. In einer homofeindlichen und ableistischen Gesellschaft war sie einst daran gescheitert, ihre nicht normgerechten Kinder zu schützen. Das will sie nachholen – um jeden Preis.
Im Grunde ist es ein Geistermärchen: Der Schatten der verstorbenen Bewohnerin versucht zu erreichen, was ihr zu Lebzeiten verwehrt blieb. In der Serie geht es nur marginal um KI als Technologie oder ihre sozialen und philosophischen Implikationen. Vielmehr geht es darum, was passiert, wenn in einer Familie plötzlich zwei Mütter vorhanden sind. Daher braucht es eine feministische Medienkritik, die über das Thema KI und Gender hinausgeht. Denn die Serie mit der durchaus gesellschaftskritischen Prämisse wird auf mehreren Ebenen heimgesucht vom Geist patriarchaler Erzählungen.
Tatsächlich entpuppt sich die vermeintlich fortschrittliche Familie des 21. Jahrhunderts als gar nicht so progressiv. Um das zu bemerken, müssen Zuschauer*innen auf Details achten: Mutter (Mina Tander) und Vater (Michael K…