Cis Männer gegen das Patriarchat
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Von Loredana Duregger, Tara Rezaie Farmand, Carolin Wiedemann
Ein Kongress bringt cis Männer zusammen, die gegen das Patriarchat sind. Alte Muster schlagen auch dort durch – und doch macht er Hoffnung in antifeministischen Zeiten.
Es ist nur ein paar Jahre her, da las man allerorts von kritischer Männlichkeit, davon, dass immer mehr cis Männer sich kritisch mit ihrer Sozialisation auseinandersetzen. Die Zahl derer, die sich als Feministen bezeichneten, stieg nach Umfragen stetig an. Zugleich etablierte sich der Begriff „toxische Männlichkeit“ – und wurde bald kritisiert. Denn wenn es eine toxische gebe, dann müsse es auch eine gesunde geben. Doch Männlichkeit an sich sei ein Problem, so die radikalen Stimmen, die an die Debatten der 1990er-Jahre anknüpften.
Der Backlash kam schnell. Der gegenwärtige Rechtsruck ist getrieben vom Wunsch nach einer Ordnung, in der es nur zwei Geschlechter gibt und der Mann endlich wieder „mannhaft“ sein darf, so fordert es die AfD und kommt damit besonders bei jungen Männern an. Gleichzeitig taucht eine neue Figur auf: der „Performative Male“, der sich möglichst öffentlich sensibel gibt – und dabei doch nur um sich selbst kreist.
Ein Lichtblick also, denken wir, als in der Hauptstadt im September ein profeministischer Kongress stattfindet – organisiert von cis Männern. Das Konzept stammt aus der Männerbewegung: Das „pro-“ zeigt, dass cis Männer ihren Feminismus auf den Kämpfen von FLINTA aufbauen. An zwei Tagen geht es u. a. um Männlichkeitskritik, Care-Arbeit und Gewalt im Patriarchat. Klingt gut. Wir wollen uns ein Bild von unseren mutmaßlichen Allys machen.
Beim Eröffnungsabend sitzen drei weiße cis Männer aus dem Orga-Team auf dem Podium. Ziel sei es, sich zu vernetzen, gemeinsame Praxis zu suchen und zu vertiefen. Natürlich sei das Patriarchat eine gesellschaftliche Struktur, doch sie werde besonders durch das Handeln von cis Männern aufrechterhalten. Es sei also ihre Verantwortung, sie aufzubrechen und zu fragen, inwiefern sie davon profitierten und patriarchale Gewalt individuell ausübten. Diese Motivation gefällt uns, die Analyse teilen wir. Die Schlussfolgerung, deshalb keine FLINTA in die Kongressorganisation einzubinden, allerdings nicht. Die Anfrage einer Freundin, die mitmachen wollte, haben die Männer abgelehnt mit der Begründung, man wolle FLINTA nicht noch mehr Arbeit aufbürden und sie nicht als Token nutzen. Dass es ein Widerspruch ist, zum vermeintlichen Wohle von FLINTA einen Männerbund zu schaffen, der keine FLINTA in seinen Reihen duldet, thematisieren sie nicht.
Stattdessen scherzen sie („Das Patriarchat werden wir mit dem Kongress wohl nicht gleich abschaffen, haha!“) und scheinen die Bühne, die sie sich gebaut haben, zu genießen. Bis das Publikum mitreden darf – und somit endlich FLINTA zu Wort kommen: Eine war Teil einer Feedbackrunde, die das Orga-Team während der Planung abgehalten habe. Das Feedback sei nicht berücksichtigt worden, sagt die Person, sie habe schon im Vorfeld darauf hingewiesen, dass das Orga-Team Transfeindlichkeit nicht auf dem Schirm habe – eine Veranstaltung dazu fehle weiterhin im Programm, außerdem hätten die Organisatoren auf dem Podium ihre Pronomen wieder nicht genannt. Stimmt, erkennen die drei an. Ein anderer Gast, es ist der Autor Fikri Anıl Altıntaş, fragt, warum von den 24 Veranstaltungen nur eine einzige – der Vortrag „Migränntlichkeit“ – von einer nicht-weißen Person geleitet werde. Man sei froh, dass überhaupt Fabian Ceska mitmache und man diese Stimme gefunden habe, lautet die Antwort. Wir fragen uns, wie intensiv die Recherche wohl war. Uns fallen einige migrantisierte Autor*innen ein, die zu Geschlechterthemen arbeiten, etwa prominent Altıntaş. Eine weitere FLINTA meldet sich und spricht ein versöhnliches Fazit: Geil, dass der Kongress stattfinde – und geil auch, dass er mit Konflikt beginne.
Am nächsten Tag gibt es wieder Konflikt, Kritik übt nun allerdings einer der Organisatoren und zwar an einer Kollegin der „taz“. Er will nicht, dass sie Gäste interviewt. Später soll sie auch nicht vom Inhalt eines Workshops berichten. Im Artikel, den sie danach veröffentlicht, überlegt sie, was wohl der Grund war: ein undifferenziertes Misstrauen gegenüber der Presse oder aber ein männliches Bedürfnis nach Kontrolle, das auf dem Kongress vielfach Thema sei.
Uns wird die Arbeit interessanterweise gestattet und so laufen wir mit Schreibblock durch die Räume im Mehringhof. Der Kongress ist gut besucht, das Publikum ist diverser als das Orga-Team und die Stimmung freundlich. Männer machen Kaffee mit Milchschaum und bereiten Mittagessen vor.
Am Kuchenstand stehen Dustin, 41, linke Szene, und Robert, 33, bis vor Kurzem nur in antikapitalistischen Bewegungen aktiv. Die beiden kannten sich davor noch nicht, aber teilen Erfahrungen: Sie kommen aus Umfeldern, die männlich geprägt seien und wenig feministisch. Davon hätten sie jeweils genug gehabt, erst recht jetzt, da Misogynie und Transfeindlichkeit erstarkten. „Links sein und nicht solidarisch mit FLINTA ist nicht vereinbar“, sagt Robert und ist froh, hier Gleichgesinnte zu finden. Dustin ergänzt: „Manche meiner Freunde, die kein Geld haben, sind genervt, wenn ich von männlichen Privilegien spreche. Aber sie können nachts ohne Angst allein rumlaufen.“
Um Besuchern wie Robert und Dustin den Anschluss an profeministische Strukturen zu erleichtern, organisiert der Kongress am Sonntag ein „Männergruppen Blitzdating“. Drei Gruppen sprechen davor auf dem Podium: Lukas erzählt von Plena, in denen sie sich untereinander fürsorglich austauschen und ihr Verhalten kritisch hinterfragen. Ohne FLINTA, denn das müssten sie schon selbst lernen. Doch ohne die Perspektiven von FLINTA gehe es auch nicht, da sind sich alle einig. Sonst werde die Männergruppe einfach zur Clique, die Sexismus reproduziert. Beim „profem Café“, berichtet Malte, lesen sie deshalb bei jedem zweiten Treffen Texte feministischer Autor*innen. Und die Gruppe Profem030 konzentriert sich einfach gleich auf Repro-Arbeit: Ihre Mitglieder unterstützen feministische Aktionen, indem sie etwa Kinderbetreuung und Kochen übernehmen.
Solche Allys brauchen wir.
Dieser Text erschien zuerst in Missy 06/25.