Von Ella Carina Werner

Jeder weiß, dass Jungs und Mädchen verschieden ticken. Und essen. Und rülpsen. Und sprechen. Und rechnen. Rechnen ganz besonders. Deshalb gibt es Abhilfe: geschlechtergetrennte Mathe-Übungshefte für Jungs und Mädchen im Grundschulalter. Zum Beispiel die „PONS Textaufgaben für Mädchen. 100 Aufgaben, die Mädchen wirklich begeistern“. „Weil Mädchen anders lernen“, heißt es dort.

Illustration: Édith Carron

Jungs haben Freude an Rivalitäten. Am Schlagabtausch, am Hahnenkampf, und so heißen zahllose Jungs-Textaufgaben „Das Piraten-Wettrennen“ oder „Ein Papierflieger-Wettbewerb“. Mädchen haben Freude am geselligen Beisammensein. „Wir tanzen“, „Eine lustige Kutschfahrt“ oder „Ein toller Ausritt“, garniert mit positiv verstärkenden Adjektiven.

Interessant sind die feinen Unterschiede, die minimalen Verschiebungen: „Löwen auf der Jagd“ heißt eine der Jungs-Aufgaben – „Die Löwenfamilie“ hingegen das weibliche Pendant. „Begegnung mit Außerirdischen“ im Jungs-Heft klingt nach Spannung, Konfrontation, nach einer Begegnung, die mit abgehackten Marsmensch­gliedern enden könnte. Bei den Mädchen lautet eine entsprechende Aufgabe „Außerirdische Besucher“ und erinnert eher an ein interspeziestisches Kaffeekränzchen mit Zuckerkringeln.

Und so geht es fort. Hier „So lang waren die Dinosaurier“, dort „So schnell wachsen die Babys“. Jungs addieren Skateboards und Liegestützen. Mädchen zählen Babys oder lackierte Fingernägel. Von Textaufgaben, die die weibliche Körperoptimierung betreffen, wimmelt es geradezu. „Perlenkette“ sind sie betitelt, „Naomis Zöpfe“ oder (die einzige weibliche Wettbewerbsaufgabe) „Wer hat die längsten Haare“? Für das eigene Aussehen sollten sich Mädchen besser interessieren, wollen sie nicht enden wie „Die hässliche Hexe Warzennase“ in der gleichnamigen Rechenübung.

Wenn es schon geschlechtergetrennte Mathe-Hefte gibt, fragt man sich, gibt es in diesen auch Textaufgaben, in denen Jungs und Mädchen gemeinsam auftauchen? Vergiss es. „Julia und ihre 13 Freundinnen“ feiern eine Party. Merle spielt mit Marie oder Aylin, aber nicht mit Ole! Der Sex, weiß PONS, steht einfach immer dazwischen.