Magazin 04/2021
Liebe*r Leser*in,
bei uns intern die ganz große Frage: Sollen wir das Thema, das uns alle seit fast eineinhalb Jahren tagtäglich beschäftigt, an genau dieser Stelle schon wieder ansprechen? Oder uns lieber still daran freuen, dass die meisten von uns bereits geimpft sind, wohlwissend, dass viele Menschen auf der ganzen Welt dieses Privileg nicht haben? Fakt ist, dass die Auswirkungen der Pandemie, wie auch immer sie in den nächsten Monaten und Jahren verlaufen wird, uns noch lange begleiten werden. Beispielsweise durch die Umwälzungen in der Arbeitswelt. Dem Thema Arbeit haben wir nun auch ein ganzes Dossier gewidmet, in dem wir u. a. darüber berichten, wie die Kämpfe der Gesundheitsarbeitenden, die so schön und folgenlos beklatscht wurden, immer stärker an Fahrt aufnehmen. Oder wie sich polnische Amazon-Mitarbeiter*innen gegen alle Widerstände gewerkschaftlich organisieren.
Aber auch andere Formen Mut machen- der Allianzen stellen wir euch vor: Céline Barry unterhält sich geschwisterlich mit Elsa Fernandez über deren Buch aus romani Perspektive und lernt dabei, intersektional zu swingen. Beschwingt und dabei mit unschlagbarem Humor plus kinky Sexszenen geht es auch in Melissa Broders neuem Roman „Muttermilch“ zu, durch den sich Hengameh Yaghoobifarah beim Lesen geradezu in einen ekstatischen Rausch versetzt sah. Und auch unser Titelstar Banafshe Hourmazdi, spätestens seit „Futur Drei“ die neue Filmhoffnung, lässt sich trotz Rassismuserfahrungen und Stereotypisierungen ihren kämpferischen Humor nicht wegnehmen.
Lachen hilft nicht immer, aber es hilft.
Deine Missys
Dossier: Work it out.
Work it out. Mehr Arbeit, weniger Personal. Mehr Flexibilität, aber auch mehr Verantwortung. Privatisierte Krankenhäuser, internationale E-Commerce-Riesen, unbezahlte Sorgenarbeit. Gründe, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, gibt es viele. Genau wie Hürden. Unser Dossier zeigt, wie gewerkschaftliche Organisierung trotzdem gelingen kann. Und warum manchmal nur noch Schlussmachen hilft.
„Vor dem Kollaps“: Der Pflegepersonalmangel im Gesundheitssystem hat sich durch die Pandemie weiter zugespitzt. Eine Kranken- schwester und eine Hebamme über den gewerkschaftlichen Kampf für bessere Arbeitsbedingungen. – 52
Nicht zu kaputt: Wie kann man in einem Alltag voll unbezahlter Sorgearbeit Liebe für die eigenen Kinder bewahren? Und wohin mit der Wut auf die Zustände? – 54
Arbeit ohne Ende: Mehr Selbstbestimmung in der Arbeitswelt? Was zunächst gut klingt, führt im Kapitalismus weiterhin zu Ausbeutung und Überforderung. – 56
Und tschüss! Kündigen oder gekündigt werden: Manchmal hat es sich aus-gearbeitet. Unsere Autor*innen erzählen von ihren absurdesten Erlebnissen. – 58
Kampf gegen Amazon: Gewekschaftliche Organisierung ist bei dem E-Commerce-Unternehmen nicht einfach: Zwei Packerinnen aus Polen erzählen, warum sie auf die internationale Vernetzung der Arbeiter*innen setzen. – 61
Titel: Banafshe Hourmazdi – Loving Banafshe
Die Schauspielerin Banafshe Hourmazdi wünscht sich ein radikaleres und mutigeres deutsches Fernsehen. Die Mini-serie „Loving Her“, in der sie die Hauptrolle spielt, ist schon mal ein großartiger Anfang. Missy traf die Schauspielerin in Berlin. – 44
Aufschlag:
Banden Bilden: Brown Faces in Green Places. Die Initiative Reclaim The Forest eignet sich den Bereich Naturerholung aus BIPoC-Perspektive an. – 12
Lieblingsstreberin: Lily Chan. – 13
Work Work Work: Psychosoziale*r Berater*in. – 14
Hä? Was heißt denn: Adultismus. – 15
Kultur & Gesellschaft:
Die ultimative Hexe: Auf ihrem neuen Album „The Turning Wheel“ zeigt Spellling, dass die Pandemie nicht das Ende des Gemeinsamen war, sondern Auftakt für eine neue Kollektivität sein kann. – 17
Hungrig und horny: Sorglosigkeit statt Scham: Melissa Broders Roman „Muttermilch“ handelt von einem Begehren, das ihre Protagonistin verändert. – 20
Dem Sonnenuntergang entgegenreiten: Die US-Country-Szene ist überwiegend konservativ. Queerness ist kaum repräsentiert, aber lesbische Musikerinnen werden immer sichtbarer. – 22
Rolle Vorwärts: „Vielleicht lügen sie“. Das Tanzfestival Volume Up stellt un- gehörte Storys und unbeachtetes Wissen in den Fokus. Die Choreografin Ligia Lewis im Gespräch. – 24
Politik & Arbeit:
Real Talk: Sitzen bleiben! Nach Protesten gegen den fundamentalistischen Marsch für das Leben sind Aktivist*innen juristischen Repressalien ausgesetzt. Das soll einschüchtern, aber die Solidarität wächst. – 33
Reportage: Was reißen. Die Aktivist*innen Ed Greve und Kathrin Henneberger wollen in die institutionalisierte Politik. Warum? Über zwei, die mehr wollen, als das „System von innen heraus“ zu verändern. – 36
Gespräch: Gemeinsam swingen. Elsa Fernandez im Gespräch über ihr Buch, das romani Kämpfe und Erzählungen sichtbarer machen will. – 42
Sex, Körper & Style:
Butches und Boxer. In einer Gesellschaft, die Lesben hasst, ist es schwer, sich als Butch zu feiern. Unser*e Autor*in erzählt, wie sich internalisierte Ressentiments und die Angst vor Klischees überwinden lassen. – 65
Game Ovary: Es sind wohl die Wechseljahre, scherzte unsere Redakteurin mit Anfang zwanzig über ihre Symptome. Und dann sind es tatsächlich die Wechseljahre. Ein Erfahrungsbericht. – 66
Styleneid: Insa Wagner. Der*die Künstler*in tüftelt an technisch-sinnlichen Outfitkonstruktionen. – 71
Der Kimono aus Südafrika: Nicht nur Menschen migrieren, sondern auch Objekte und künstlerische Praktiken. Die Leipziger Ausstellung „Cultural Affairs“ zeigt, wie Mode und Design von diesen Transformationen profitieren. Ein Gespräch mit der Kuratorin Silvia Gaetti. – 72
Edutainment:
Musikaufmacher: Ganz roh, ganz nah. In acht Tagen aus der Pandemie: Das kanadische Doppel Hildegard weckt auf seinem blitzartig produzierten Lo-Fi-Debüt komplexe Sehnsucht nach körperlicher Nähe. – 75
Musikrezis. – 76
Now and Then: Caroline d’Orville über Yoko Ono. Von Yoko Ono hat die Künstlerin gelernt, auch in ihrem eigenen Schaffen von konventionellen Denkmustern abzuweichen. – 79
Podcastrezis. – 81
Filmeaufmacher: Schimpfen und Kamillentee. Sabine Derflingers Doku „Die Dohnal“ porträtiert einfühlsam die legendäre erste österreichische Frauenministerin. – 83
Serienaufmacher: Kanak-Klischees von vorgestern. Hauptsache divers: „Para – Wir sind King“ zeigt, wie sich cis-männliche Boomer-Serienmacher migrantisierte Mädchen vorstellen. Doch die Hauptdarstellerinnen retten den Fernsehabend. – 84
Literaturaufmacher: Traurige Frauen. In ihrem neuen Roman „Was fehlt dir“ nimmt sich die US-amerikanische Autorin Sigrid Nunez die ganz harten Themen vor: Klimakatastrophe, Einsamkeit, Tod – und findet darin Schönheit und Leichtigkeit. – 89
Literaturrezis. – 90
Typenparade: Konsequent danebenstehen. Schafft es die Kulturanthropologie, sich den weißen Blick auszutreiben? Der Künstler und Forscher Julian Warner alias Fehler Kuti will echte Diskussionen statt Argumentepanzer. – 93
Comicrezis. – 94
Kunstaufmacher: Erschreckende Klarheit. In „A Black Hole Is Everything A Star Longs To Be“ greift Kara Walker auf Mythen Schwarzer (Im-)Materialität zurück, um rassistische Stereotype zu entlarven. – 95
Kolumne: Spät zünden. Unsere Kolumnistin findet: Nehmt
mal Dampf raus! Und freut sich auf ihr Buchdebüt mit fünfzig. – 98