piratenweib-rahmenVeronika Geyer-Iwand wäre am 17. November 2010 67 Jahre alt geworden. Wenn sie nicht von ihrem eigenen Ehemann brutalst ermordet worden wäre.

Am 25. Juli 1997 geschah einer der abscheulichsten Frauenmorde in der Geschichte der Gewalt gegen Frauen.

Veronika Iwand lernte während ihres Studiums der Theologie, Latein und Griechisch, in Berlin ihren zukünftigen Ehegatten und Mörder Klaus Geyer kennen.

Sie fühlte sich angezogen von seinem analytischen Geist, bewunderte seine Musikalität und sein begnadetes Klavierspiel, achtete und billigte ihm lächelnd die sogenannte »höhere Ebene« zu.
(Quelle: Aktion Sühnezeichen Friedesdienste)

Mitte der 1970er Jahre übernahm Klaus Geyer, evangelischer Pastor, eine Pastorenstelle in Ochsendorf, zu dem auch Beienrode gehörte – das Dörfchen, in welchem Veronika Iwand große Teile ihrer Kindheit und Jugend verbrachte. Er durchlief eine steile Karriere, aber sie war ihm ebenbürtig, wenn nicht – in seinen Augen – sogar überlegen. Sie war eine außerordentlich engagierte Frau und hatte viele Interessen, neben ihrer Familie und ihrem Mann. Sie war eine beliebte Lehrerin und wurde sogar Bürgermeisterin in  Beienrode. Damit kam Klaus Geyer offenbar nicht zurecht.

Das, was diesen Mord nicht vergessen lässt, ist wohl die Zwiespältigkeit von Tat und Ansehen des Täters. Er, ein Aktivist der Friedensbewegung, beliebter Pfarrer, ist als kaltblütiger brutaler Totschläger nur schwer vorstellbar. Darum auch die vielfach geäußerten Zweifel an seiner Täterschaft – weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Aber sind Pfarrer und Friedensaktivisten per se bessere Menschen? Sind sie in ihrem Privatleben unbeeinflusst von Gesellschaft und Machtstrukturen? Doch wohl kaum.

Bei Klaus Geyer ist eher anzunehmen, dass er von seiner gesellschaftlich prominenten Position einen Machtzuwachs, verbunden mit der Lust, diese Macht auszuleben, verspürte. Nur seine Frau Veronika wollte nicht folgen. Sie hatte ihre eigenen Interessen, die von ihrem Mann offenbar nicht geteilt wurden. Und nicht nur das: er fühlte sich von ihrer Eigenständigkeit bedroht und erniedrigt. Deshalb betrog er sie immer und immer wieder. Schon in der Nacht nach ihrer Ermordung tat er es wieder – im Ehebett.

Spannend ist die Reaktion der Medien auf den Fall. Zunächst das Ablehnen der Möglichkeit, dass Klaus Geyer der Täter sein könnte. Nach dem spektakulären Indizienprozess immer noch das Verständnis für den eiskalten Täter Geyer und zu allem Überfluss noch das geringe Strafmaß von 8 Jahren wegen Totschlags – nicht einmal wegen Mordes (Geyer verstarb 2003). Bei der üblichen Bewährungspraxis wäre Geyer nach etwa 5 Jahren wieder frei gewesen (nach 2/3 verbüßter Haftzeit).

Dieser Fall markiert aber nur eine der Spitzen der zahlreichen Eisberge namens Frauenhass. Dieser Mord geschah nicht nur aus privaten Motiven, er war keine „Familientragödie“, sondern entstand aus einem konservativen Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit heraus. Eine Frau, die aus dem Familienrahmen heraustrat und sich damit „unweiblich“ verhielt, ein Mann, der sich dadurch in seiner „Männlichkeit“ bedroht und dominiert fühlte. Dies waren die wahren und wahrhaft tragischen Gründe für den grausamen Mord. Und diese Begründungen für Mord an Frauen nehmen in Zeiten erstarkender Frauen zu. Je stärker Frauen werden, um so mehr fühlen sich schwache und labile Männer bedroht. Damit steigt die Gefahr für alle Frauen. Und das allerschlimmste: Der Feind ist im eigenen Bett. Die Gefahr, ermordet zu werden, ist für Frauen zuhause am größten. Der Täter ist höchstwahrscheinlich der eigene Mann, Partner, Vater oder Bruder. Nur relativ selten ist es der fremde Mann, der im Stadtpark aus dem Gebüsch springt. Das heißt, die vorgebliche Sicherheit zuhause ist gar keine.

Taten, wie der grausame Mord an Veronika Geyer-Iwand, bedrohen alle Frauen. Indem sie ihnen zeigen: Sieh her, das kann auch dir passieren, wenn du dich nicht in der gewünschten Form verhältst. Das kann allen passieren, darum seht euch alle vor.

Und genau deshalb sollten wir diese Taten mit dem Motiv Frauenhass nicht vergessen, nicht verdrängen, sondern benennen. Und uns daran erinnern. Und mit den Männern, die auf unserer Seite sind, gemeinsam gegen die Geschlechterstereotype vorgehen, die uns das eingebrockt haben.

Übrigens relativierte Klaus Geyer nach einem Jahr Gefängnis in einem Interview mit der ARD Tötungsdelikte generell. O-Ton:

Im Prinzip kann jeder Menschen in bestimmten Situationen totschlagen, wenn er dorthin geführt wird. Das liegt im Bereich des Menschenmöglichen. Das habe ich schon vorher gepredigt.
(Quelle: DasErste)

Weiterführende Links:

Im Gedenken an Veronika und all die anderen ermordeten Frauen.