Was die f f  Collaborations in der Temporären Autonomen Zone/2 im Körnerpark ausstellen, fühlt sich schon ganz schön utopisch an. Am Sonntag den 19.5 lädt die feministische Künstlergruppe zum zeremoniellen Abschluss.

Bild: Kai Dieterich

Natürlich gibt es in Deutschland erfolgreiche Künstlerinnen. An deutschen Kunstakademien studieren auch oft ungleich viele Frauen. Einige Level höher jedoch, in der Starriege der Kunstwelt, haben sich die Reihen bereits dramatisch gelichtet. Kaum verwunderlich, ließ der Künstler Georg Baselitz vor Kurzem in einem Interview verlauten: „Frauen bestehen nun mal die Prüfung nicht.“ Welche Prüfung? „Die Marktprüfung, die Wertprüfung.“ Klassenprimus Baselitz, dessen Werke der Markt stets wohlwollend benotet, sieht da auch keinen Grund für strukturelle Kritik. Tatsächlich malen Frauen eben nicht so gut, was sonst? Eine solch hirnrissige Haltung kann aber leider nicht auf die kauzigen Ausreißer eines alternden Egomanen reduziert werden. Vielmehr zeigt der Erfolg, den Künstlerinnen mit einem feministischen Ansatz in anderen Ländern haben können, von Judy Chicago bis Sarah Lucas, dass der Diskurs in Deutschland einfach noch nicht an diesem Punkt angekommen ist. Der Chauvinismus an deutschen Akademien ist immer noch gegeben, durchdrängend, hartnäckig. Die Kunstwelt wirkt wie ein Spiel, an dem Frauen zwar seit einiger Zeit mitmachen dürfen, die Regeln ändern können sie jedoch nicht.

Die Gründerinnen der feministischen Künstlerinnengruppe f f wissen das nur allzu gut. Zwei von ihnen, Mathilde ter Heijne und Antje Majewski, lehren an Akademien in Kassel und Kiel, wohl alle f f Künstlerinnen, zum jetzigen Zeitpunkt etwa dreizehn, sehen sich in ihrer eigenen professionellen Arbeit mit männlich geprägten Strukturen konfrontiert. Es sei eine besonders inspirierend, so Mitgründerin Jen Ray, die übliche kompetitive und egozentrische Arbeitsweise mit dem unterstützenden Netz einer all-female Gruppe einzutauschen. Doch wie positioniert sich ein feministisches Netzwerk innerhalb der Kunstszene?

Im Rahmen der TAZ, der Temporären Autonomen Zone, möchte f f eine Art heterotopischen Raum erschaffen, in dem sich die Gruppe und die verschiedenen eingeladenen Künstlerinnen unabhängig und idealistisch entfalten können. Doch wie losgelöst und eigenständig kann ein solcher Raum sein? Natürlich mussten und müssen sich Frauen in den bildenden Künsten immer auf mehreren Ebenen emanzipieren. Nicht nur als Eindringlinge in eine patriarchische Tradition der väterlichen Genies, sondern auch als selbstbestimmte Objekte, die sich urplötzlich von ihrer historisch hindrapierten Position erheben und vor die Staffelei treten. Demnach stellt sich als Künstlerin natürlich immer auch die Frage: wie umgehen mit dem Vermächtnis des oftmals offen misogynen Gentlemen Clubs, das sich Kunstgeschichte nennt?

Im Anfangsbereich der aktuellen f f Collaborations Ausstellung in der Galerie im Neuköllner Körnerpark, bieten sich gleich zwei mögliche Ansätze an, den auschließenden und limitierenden Vorgaben eines tradierten Kunstdiskurses zu begegnen. „Die Ausgewählten“ zeigt die Portraits von neun „wichtigen und interessanten“ Frauen aus Neukölln, gewählt von Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft der Galerie. Bereits das Fragen, Erkennen und Auswählen weiblicher Protagonistinnen lässt hier ein autonomes Netzwerk entstehen, das keiner anderen Kriterien bedarf und daher zumindest in diesem Rahmen autark ist. Die „Wertprüfung“ wird hier vor einem anderen Komitee abgelegt.

„Die Ausgewählten“, Magdalena Bichler, Nine Budde, Julis Lazarus & Antje Majewski

 

Daneben eröffnet „Hans Holbein, We are Watching You“ den Dialog mit den alten Meistern so unverblümt wie ein Kreuzfeuer. Die „Upgrades“, welche die Künstlerinnen in Form von Sprechblasen, Kommentaren und Collagen den Coffee Table Books „großer Künstler“ verpasst haben, sind respektlos, leichtfüßig, scharfzüngig und erstaunlich befreiend. Beim Stöbern in diesem ebenso brillanten wie komischen Vatermord wird der Besucher schnell auf den Grundton der Ausstellung eingestimmt. Trotz der Vielfalt an unterschiedlichen Arbeiten lässt sich der besondere Entstehungskontext der Kollaborationen stets erkennen. Den Werken unterliegt kein alternatives, zaghaftes Versuchen, sondern ein nonchalantes Machen. Dieses hat aus seinen ganz eigenen Arbeitsdynamiken eine kräftige, spürbare Energie gewonnen, die sich bei vielen Arbeiten in Form eines augenzwinkernden Humors niederschlägt.

„Hans Holbein, We are Watching You!“, Charlotte Cullinan, Jeanine Richards & Katrin Plavcak

Der Betrachterin wird schnell klar, dass der Girls Club der f f Collaborations eine Menge Spaß hatte. Und in jedem Fall scheint Freude, oder zumindest das Teilen von Freude, für den Entstehungs- und Rezeptionsprozess einiger Arbeiten programmatisch gewesen zu sein. So wurde beispielsweise das Budget der Arbeit „Strommann“ in ein gemeinsames Picknick am Donauufer investiert, an dem Blumenkränze für das Flussopfer gebunden wurden. Auch andere Arbeiten verfolgen einen feierlichen, performativen Ansatz, bei dem die gemeinschaftliche rituelle Ausführung im Mittelpunkt steht. Auf Nachfrage erwidern Melissa Steckbauer und Jen Ray, dass die Arbeit in der Gruppe zwar oft schwierig sei, aber aus Reibungsenergie entstehe eben auch immer etwas Interessantes. Die Herausforderung, von der Arbeitsweise der individuellen Künstlerin zu einem demokratischen, non-hierarchischen Arbeitsprozess zu finden, werde dabei mit vereinter Unterstützung und geteilter Begeisterung belohnt. Die Solidarität der Gruppe wirkt dabei besonders beflügelnd, so Jen Ray: „Wenn eine von uns eine bestimmte Idee hat, erwidert die Gruppe grundsätzlich: Du willst das machen? OK, wir helfen dir dabei, es umzusetzen.“ Das klingt nach idealen Voraussetzungen für eine künstlerische Entfaltung fernab der Vorgaben und Vorlieben des Marktes. Ach ja, Georg Baselitz, der Maler der gerne über die schlechten Bedingungen für die Kunst schimpft und dem die geläufigen Spielregeln Millionen eingebracht haben, hat übrigens seit Neuestem eine Steuerfahndung am Hals.

Die ff Collaborations verfolgen einen Ansatz, der nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner sucht, sondern die individuelle Entfaltung der einzelnen Protagonistinnen zum Ziel hat. Die Arbeiten sind alle feministisch in ihrer Betonung des Weiblichen und der weiblichen Kreativität und sind dabei aber viel unmittelbarer, konkreter und klar schaffender als die Mystifizierung irgendeines ewig weiblichen, mysteriös-sumpfigen Sosg. Es haftet ihnen auch kein limitierender Essentialismus an, wie sich an der stark performativen Komponente ablesen lässt. Zum „Strommann“ Picknick waren beispielsweise „weibliche Teilnehmerinnen geladen“ und das konnte ausdrücklich jeder und jede sein, die sich als solche bezeichnete. Zwar werden binäre Identifizierungen in den Werken nicht wirklich gebrochen, es wird jedoch eine starke weibliche Perspektive entwickelt. Interessant wird es auch dann, wenn das im Rahmen der Ausstellung entwickelte feministische Wertsystem wie eine autonome Semantik, wie ein nicht nur selbstbewusster, sondern selbstverständlich weiblicher Blick auf Andere gerichtet wird. Die Videoinstallation „Gentle Men“ zeigt Fotos von männlichen Testikeln, ganz nah, schutzlos und fragil. Die Offenlegung dieser eher weiblich konnotierten Rolle des kreativen Bewahrens, des Schützenswerten und Sensiblen, macht deutlich, wie dieser komplementäre Teil von Männlichkeit sonst buchstäblich von der dominanten Präsenz des Phallus überschattet wird.

„Gentle Men“ Mathilde ter Heijne & Amy Patton

 

KünstlerInnengruppen sind an sich nichts Neues. Besonders ist jedoch die katalysierende Wechselwirkung zwischen der individuellen Energie jeder einzelnen Mitspielerin und einer unterstützenden, nährenden Gruppe. An die Stelle des einsamen, genialischen Künstlers tritt hier die Realisierung und Verstärkung einer wechselseitigen Abhängigkeit und einer ständigen, fruchtbaren Auseinandersetzung mit Anderen. Die Überführung des scheinbar autonomen, entfremdeten Subjekts in den Kontext der (teilenden und geteilten) Intersubjektivität ist eine der wichtigsten Denkfiguren der kontinentalen feministischen Theorie. Die f f Collaborations erzeugen diese Dynamik mit spielerischer Leichtigkeit. Die Ausstellung gewinnt dadurch die Anziehungskraft einer Form von utopischer Kunst, die sich scheinbar außerhalb der gesellschaftlichen Regeln befindet. Die nicht nur vorgibt, ihr eigener Wert zu sein, sondern tatsächlich auch in ihren Prozessen einer kompetitiven Marktlogik entgegen gesetzt ist. Eine Kunst, die allein durch sich selbst und aus ihrer eigenen, utopischen Autonomie heraus, echte Alternativen aufzeigt.


Temporary Autonomous Zone / 2 / ƒƒ / Galerie im Körnerpark, Berlin

ff Collaborations // Exhibition: April 27- May 19, 2013


SUNDAY MAY 19

All Day: Picnic

12.00: Costume Workshop
For children and adults. Make your own spring costume. Bring paper, fabrics, colors…
Organized by Antje Majewski /ƒƒ, Katrin Plavcak /ƒƒ , with Julia and Katie Majewski

14.00: Marionetten Workshop
Organized by Nina Prader /ƒƒ and Gianna Prein

16.00: Im Muschelgrund
Performance by Nina Prader /ƒƒ and Gianna Prein

17.00: Willkommen Flora
Organized by ƒƒ
For children and adults