Statement des Blogs mit feministischen Perspektiven auf Mutterschaft zu fünf Jahren Queer-Feminismus

„All die schönen neuen Ansätze des Queer-Feminismus, der Pro-Sex-Bewegung und der Gender Studies allgemein zielen eher auf junge beziehungsweise kinderlose Frauen und Individuen ab. Wenn frau dann Mutter wird, scheinen ihr als theoretische Bezugspunkte plötzlich nur noch der Differenzfeminismus und einige eher altbackene Ansätze des 70er Jahre Feminismus à la Matriarchat, durchmischt mit ein bisschen Gleichstellungspolitik, Naturheilkunde und Homöopathie, zu bleiben.“

Diese polemische Formulierung steht im About von Fuckermothers. Auch wenn sie eigentlich zu pauschal ist, um all die verschiedenen feministischen Strömungen zu fassen, hat sie doch einen wahren Kern. Einerseits bilden die neuen Ansätze wichtige Bezugspunkte von Fuckermothers – ganz besonders der Queer-Feminismus. Zentral dabei ist, dass diese viele Formen der Diskriminierung jenseits von Geschlecht aufzeigen, etwa durch Homophobie oder Rassismus. Außerdem stellen sie scheinbar natürliche Grenzziehungen in Frage, beispielsweise die zwischen Mann und Frau, zwischen Sex und Gender, zwischen Materie und Kultur. Dadurch lässt sich Mutterschaft von essentialisierenden Begründungen lösen. Die Mutterrolle ist nicht mehr von einem vermeintlich wahren Körper vorgegeben. Ob und wie jemand Mutter ist, lässt sich nicht mehr unbedingt aus der Schwangerschaft oder dem Stillen herleiten. Eine Mutter kann auch einen Penis haben.

Andererseits gibt es vor allem zwei Punkte, die in vielen queer-feministischen Ansätzen problematisch sind. Erstens fehlt oft eine Theorie von Arbeit und ökonomischer Gerechtigkeit. Kinder erhöhen massiv das Armutsrisiko für diejenigen, die hauptverantwortlich für sie sorgen. Die Arbeit für Kindererziehung und Haushalt wird gesellschaftlich wenig wertgeschätzt und nicht bezahlt. Viele Mütter sind gar nicht, in Teilzeit oder in Mini-Jobs erwerbstätig. Fast die Hälfte der Alleinerziehenden muss von Hartz IV leben. Entsprechend werden viele Mütter später kaum Rente bekommen. Derartigen Problemen wird in queeren Analysen oft kaum Aufmerksamkeit geschenkt.

Zweitens strebt der Queer-Feminismus primär nach einem Subjekt, das flexibel und autonom ist. Abhängigkeit wird meist rein negativ gewertet, als machtvolle Unterordnung. Der Queer-Feminismus darf nicht die Forderung nach einer frei gestalteten Geschlechtlichkeit mit der Illusion eines völlig unabhängigen Individuums verwechseln. Wir leben nicht im luftleeren Raum, sondern in Beziehungen. Eltern-Sein hat viel mit Abhängigkeit zu tun: ein Baby braucht Menschen, die es füttern und lieben. Eltern, die viel Pflege-Arbeit übernehmen, benötigen ihrerseits Menschen, die ihnen Arbeit abnehmen. Ebenso sind Menschen, die krank sind oder sterben, auf die Hilfe anderer angewiesen. Diese Abhängigkeit zu berücksichtigen und stärker als auch positiven Teil von queerer Subjektivität zu betrachten, ist wichtig.

Ob sich diesbezüglich speziell in den letzten fünf Jahren getan hat, können wir schwer beurteilen. Allgemein haben der Queer-Feminismus und postkoloniale Ansätze sicherlich einige Verbesserungen gebracht. Beispielsweise, dass einige feministische Debatten – auch im Missy Magazine – offener für Kritik an rassistischen oder transphoben Äußerungen. Gleichzeitig ist das nur ein eher zögerlicher Anfang. In puncto Mutterschaft und Queer-Feminismus hat sich jedoch in diesem Zeitraum fast nichts verändert.

Was für eine solche Veränderung getan werden kann, ist vielfältig. Um das Thema Elternschaft stärker im Queer-Feminismus zu verankern: Denken, Diskutieren, Lesen, Schreiben, Reden, Leben. Um endlich die Lage von Müttern in der Gesellschaft zu verbessern: Kämpfen, Sich-Beschweren, Streiken, vor Gericht ziehen, Sich-Zusammenschließen, Brüllen und marodierend durch die Straßen ziehen. Das übliche, eben.

fuckermothers.wordpress.com

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