Eine der wichtigen Entdeckungen in der Reihe „Panorama Dokumente“ der diesjährigen Berlinale ist der Film „Finding Vivian Maier“ von John Maloof und Charlie Siskel. Maloof entdeckte bei einer Zwangsversteigerung eines Nachlasses Kartons mit unentwickelten Filmen und Negativen. Aufgenommen von einer gewissen Vivian Maier, die in New York und Chicago lebte und 2009 im Alter von 83 Jahren einsam starb. Doch das wird Maloof erst später herausfinden. Erst einmal stellt er die Fotos online: Die Reaktion ist überwältigend. Viele Menschen sind begeistert von diesen ersten Street-Fotos.

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Der Film zeichnet Maloofs Reise als spannende Detektivgeschichte nach: Von der Entdeckung der Kisten, die ihn erst mal vor ein Rätsel stellen: Was soll er davon halten? Ist diese Frau es wert, ihrer Spur zu folgen? Später trifft er Menschen, die Maier kannten, beispielsweise heute Erwachsene, die als Kinder von ihr als Nanny betreut wurden. Bis nach Frankreich führt ihn die Suche nach dem wahren Ich dieser mutigen, inspirierenden und gleichzeitig widersprüchlichen Frau, die am liebsten Männerkleidung trug und sich für die Einsamkeit entschieden hat.

© Vivian Maier/Maloof

© Vivian Maier/Maloof

Doch aus ihren Fotos spricht eine ungeheuer große Anteilnahme für ihre Mitmenschen. Maloof, selbst begeisterter Fotograf, der immer seine Kamera dabei hat, urteilt nie über diese Frau, die auch dunkle Seiten hatte, etwa, dass sie die ihr anvertrauten Kindern gnadenlos streng behandelte. Der Amerikaner zeichnet  ein bewegendes und technisch raffiniert gedrehtes Porträt einer wahren Feministin, auch wenn sie selbst sich nie so bezeichnet hat.

© Vivian Maier/Maloof

Selbstporträt Vivian Maier © Vivian Maier/Maloof

Finding Vivian Maier läuft ab 28. August 2014 im Kino.

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The Dog

Die Lebensgeschichte von John Wojtowicz, der für die Geschlechtsumwandlung seines transsexuellen Ehepartners 1972 eine Bank in Brooklyn überfiel, hat Sidney Lumet bereits 1975 mit dem New-Hollywood-Klassiker „Dog Day Afternoon“ mit Al Pacino als Bankräuber verfilmt. Für den Film wurde vieles mainstreamtauglich gemacht und so lohnt sich für die Erforschung der subkulturellen Hintergründe der Geschichte die Doku „The Dog“ von Allison Berg und Frank Keraudren im Panorama, gleichzeitig ein unterhaltsames Porträt der Gay Culture im New York der 1970er-Jahre, da auch etliche Protagonisten der Gay Activists Alliance zu Wort kommen.

Filmszene mit John Wojtowicz aus „The Dog“

Die Stärke der Doku liegt daran, dass Wojtowicz ein sympathisches Großmaul mit Street Credibility ist, bei dem jeder Satz mindestens einmal das Wort „Fuck“ beinhaltet und dem man gerne zuhört. Offen erzählt er vom Suizidversuch seiner damaligen Frau, dem Transsexuellen Ernie alias Ernest Aron, der sich später in Elizabeth Eden umbenannte, für dessen/deren Geschlechtsumwandlung er den Überfall überhaupt anzettelte. Zu Hochform läuft Wojtowicz auf, wenn er schildert, wie er sich mit seinem Komplizen am Vorabend auf die Tat vorbereitete. Um in Stimmung zu kommen, schauten sie „Der Pate“ und stritten, wer jetzt mit wem Sex haben soll. Stellenweise verheddert sich der Film zwar etwas: Als ZuschauerIn kapiert man nicht ganz, wieso Wojtowiczs Ausflug mit seinem Bruder – beide mittlerweile ergraute Herren – nach Coney Island so ausführlich geschildert wird und was seine greise, wenn auch ebenso großmäulige Mutter jetzt bitte mit dem Rest der Geschichte zu tun hat.

Wojtowicz beklagte einst in einem Brief an die New York Times, dass nur 30 Prozent des Lumet-Films wahr gewesen seien. Absolut sicher, dass er mit „The Dog“, wäre Wojtowicz nicht 2006 vor Fertigstellung gestorben, zufrieden gewesen wäre.