Von Andrea Oertlin
Seit zwölf Jahren ist Petra Imfeld Berufsfeuerwehrfrau bei Schutz & Rettung Zürich. Bis zu diesem Zeitpunkt arbeiteten dort nur Männer. Bereits als 19-Jährige trat sie der bis dahin rein männlichen freiwilligen Feuerwehr ihres Heimatortes bei. Und auch als Anwärterin für die Helikopterpilotenausbildung des Schweizer Militärs hatte Petra mehr Kollegen als Kolleginnen. Im Gespräch mit ihr fällt vor allem die Leichtigkeit auf, mit der sie sich in den von Männern geprägten Welten bewegt.

Die Hände locker in den Hosentaschen und bequeme Schuhe an den Füßen – so erwartet mich Petra Imfeld am Eingang zur Wache Süd der Berufsfeuerwehr von Schutz & Rettung Zürich. Es ist 19 Uhr abends. In der Fahrzeughalle riecht es ein bisschen nach Gummi. Es ist trocken und warm. Die Fahrzeuge stehen abfahrtbereit. Einsatzjacken hängen ordentlich aufgereiht an Garderobenhaken. Helme und Schuhe stehen parat. Die roten Einsatzhosen sind bereits über die Schuhe gestreift. Im Alarmfall muss man nur noch hineinschlüpfen und die Hosen samt Hosenträgern hochziehen. Ausgerückt wird bei Alarm innerhalb von 75 Sekunden.

Petra ist seit 12 Jahren Berufsfeuerwehrfrau bei Schutz & Rettung Zürich. Seit Januar dieses Jahres hat sie die Funktion des Korporals inne. Angefangen hatte sie 1998 in der freiwilligen Feuerwehr in ihrem Heimatort im Kanton Obwalden, mitten im Herzen der Schweiz. Damals war sie noch keine 20 Jahre alt und eigentlich zu jung für den Feuerwehrdienst. Bereits ihr Vater war Feuerwehroffizier und gab ihr seine Leidenschaft dafür weiter. Eine Frau im Feuerwehrdienst war für die dortige Feuerwehr damals Neuland und nur dadurch denkbar, weil sie die neue Kollegin ausschließlich auf dem Einsatzleitfahrzeug und damit für administrative Tätigkeiten einsetzen wollten. Für Petra war das zu wenig. Sie setzte durch, dass sie einen Ausbildungstag zusammen mit den männlichen Kollegen besuchen durfte. Auch als Schreibkraft wollte sie doch wissen, was ihre Kollegen „an der Front“ machen. Hört man der großgewachsenen, 35-jährigen Frau zu, so überrascht es nicht, daß es dabei nicht blieb. Sie gehörte schließlich auch zur Atemschutztruppe. Unter Atemschutz, das heißt, mit einer Atemmaske und einer Preßluftflasche ausgerüstet in brennende Gebäude zu gehen, um Feuer zu löschen oder Menschen zu retten – es gehört zu den körperlich anspruchsvollsten Aufgaben der Feuerwehr.

Ihre Hartnäckigkeit und ihren Durchhaltewillen setzte Petra nicht nur in der Feuerwehr unter Beweis. Bereits als Jugendliche fing sie an, sich auf die Helikopterpilotenausbildung des Schweizer Militärs vorzubereiten. Viele hegen diesen Traum, doch nur wenige gelangen zum heiß ersehnten Ziel. Petra war schließlich eine der 40, die es in die sogenannte Pilotenrekrutenschule schafften. Sieben Wochen lang war jeder Flug, jede Übung auch ein Test. Mit jeder Woche schieden Bewerber und Bewerberinnen aus. Petra kam weit. Sogar sehr weit. Sie schaffte es bis zur letzten Vorauswahl. Dort war der Traum für sie dann zu Ende. Doch sie erinnert sich begeistert an die Flugstunden. „Das ‚Geilste’ war, innerhalb von 45 Minuten 22 Mal kopfüber zu fliegen“. Ihr Grinsen geht dabei von einem Ohr zum anderen.

Zur Berufsfeuerwehr kam Petra eher zufällig. Nachdem sie den Traum einer Militärpilotenausbildung aufgeben musste, absolvierte Petra die Militärgrundausbildung. Im Rahmen dessen begleitete sie ihren Gruppenführer zum Präsentationstag der neu gegründeten Dienstabteilung Schutz & Rettung Zürich. Hier erfuhr sie erstmals davon, dass es die Feuerwehrarbeit auch in der Schweiz als eigenen Beruf gibt und bewarb sich erfolgreich für die Ausbildung. Zusammen mit einer anderen Frau und sieben Männern konnte sie im Jahr darauf erfolgreich die Ausbildung zur Berufsfeuerwehrfrau abschließen.

Jeder und jede Neue muß sich im Team erst einmal beweisen und sein bzw. ihr Plätzchen finden. Darin sieht Petra weder für neue Berufsfeuerwehrmänner noch für neue Berufsfeuerwehrfrauen einen Unterschied. Das Feuerwehrkorps ist eine eingeschworene Truppe. Die Neuen müssen sich unterordnen können, Regeln einhalten, aber schon auch mal austeilen, wenn es notwendig ist. „Man muss seinen Mann stehen können“. Auch die Frauen. Zu Beginn spürte Petra bei einigen ihrer männlichen Kollegen Vorbehalte. Doch nur bei wenigen hatte die distanzierte Haltung mit ihr als Frau zu tun. Sehr viel öfter war es eine abwartende Haltung, wie sie sich gegenüber jedem Berufsfeuerwehrneuling zeigt. Ein entscheidender Moment war für Petra ein Holzfällerkurs, den sie am Anfang ihrer Berufsfeuerwehrzeit zusammen mit den männlichen Kollegen besuchen musste. „Ich hatte wirklich Schiss vor diesem Kurs“, meint Petra lachend. Eine Woche später sagte dann ein Kollege zu ihr: „Haste gut gemacht im Kurs“. Nur das. Mehr nicht. Doch das war der Ritterschlag. Petra wusste, sie war angekommen.

Zu Beginn dieses Jahres wurde sie zum Korporal befördert. Damit übernimmt sie erste Führungsaufgaben im Einsatz und auf der Wache. Die Funktionsbezeichnungen der Berufsfeuerwehr von Schutz & Rettung sind feststehende Begriffe. Ihren Ursprung haben sie im Militär. Weibliche Bezeichnungen sind dort nicht vorgesehen. Eine ‚Korporalin’ gibt es nicht. „Das muss man akzeptieren können“, meint Petra. Für sie kein Problem. Petra ist der erste weibliche Korporal und damit auch die erste beförderte Berufsfeuerwehrfrau der Berufsfeuerwehr Zürich. Als Korporal ist sie seit diesem Jahr Chefin der Sattlerei der Berufsfeuerwehr, eine der internen Werkstätten, in denen Instandhaltungsarbeiten und Reparaturen an Fahrzeugen und Ausrüstung von den Berufsfeuerwehrleuten selber durchgeführt werden.

Nach der Ausbildung zur Berufsfeuerwehrfrau konnte Petra sozusagen im Hause die Ausbildung zur Pferdesportsattlerin durchlaufen. Regelmäßige Schulbesuche an der Berufsschule gehörten dazu. Einen richtigen Reitsattel zu machen lernt man in der Ausbildung trotz der Berufsbezeichnung nicht. Statt Reitzubehör flicken Petra und ihr Team in der Sattlerei zeitgemäß die Autositze der Feuerwehrfahrzeuge und halten Ersatzteile für die Einsatzhelme parat. Daneben fertigen sie in stundenlanger Handarbeit funktionstüchtige Löscheimer aus hartem, beständigem Leder. Diese sind mit Herzblut hergestellte Abschiedsgeschenke, welche den KollegInnen überreicht werden, die den aktiven Feuerwehrdienst hinter sich lassen und in den Ruhestand gehen.

Mittlerweile ist es viertel vor zehn Uhr abends. Auf der Wache ist es ruhig. Die Stube, wie die Berufsfeuerwehrleute ihren Essraum nennen, ist leer. Nur ein Feuerwehrmann holt sich noch ein Stück Brot, bevor sich alle in die Ruheräume zurückziehen. 24 Stunden verbringen die Angehörigen der Berufsfeuerwehr pro Schicht miteinander. Das schweißt zusammen. Auseinandersetzungen gehören dazu. Doch danach sitzt man wieder zusammen und die Sache ist aus der Welt. Das ist wichtig, denn im Einsatz ist 100%-iges Vertrauen überlebenswichtig. Jeder und jede ist auf den Kollegen und die Kollegin angewiesen. „Ein Mann ist kein Mann“, betont Petra. Und meint sich selbstverständlich mit. Für heute Nacht hat sie die Funktion Springer eins. „Das heißt, ich bin der dritte Mann auf der Autodrehleiter zwei“, erklärt Petra. Nach Jahren in der Feuerwehr und im Militär ist sie daran gewöhnt, sich bei den Männern mitzuzählen. Die männlichen Bezeichnungen stören sie nicht. Doch offensichtliche Diskriminierungen schon. In ihrer Freizeit übernimmt sie als Kommandant einer Betriebsfeuerwehr administrative Aufgaben. Dazu gehört auch, neues Material einzukaufen. Zusammen mit ihrem Bruder war sie zu diesem Zweck auf einer Feuerwehrmesse. Am Stand stellte sie die Fragen. Der Bruder bekam die Antworten. Eine Respektlosigkeit, findet Petra. Die Firma bekommt bis auf weiteres erst mal keine Aufträge mehr.

Hat sie einen Tipp für Frauen, die auch zur Berufsfeuerwehr wollen? „Unbedingt probieren. Und Liegestütze üben!“, kommt es prompt. Dabei grinst sie schon wieder über das ganze Gesicht. Petra fühlt sich wohl als Berufsfeuerwehrfrau in Zürich. Das sieht man.