Wir haben also ein halbes Jahr gerungen, gesprochen und gedacht und uns dafür entschieden, dass wir einem – diesem – lesbischen Paar Samen spenden wollen, damit sie ein Kind bekommen können.

 

 

 

 

 
Dem Ja folgt ein Reigen an Organisation und Bürokratie. Um sie abzusichern, uns abzusichern. Was nicht geht. Es bleibt abstrakt und wir wissen um das emotionale Risiko, die „Was wenn?“-Fragen, die sich nicht lösen oder beantworten lassen, sondern eigentlich immer mehr werden.

Was ist, wenn das Kind alt genug ist und seinen biologischen Vater kennen lernen will, Zeit mit ihm fordert? Was ist, wenn unsere Tochter das Kind kennen lernen möchte, darf sie das? Was ist, wenn es zu einer Trennung der Mütter kommt, empfinden wir dann doch – gegen alle Verträge – eine Verantwortung? Also stürzen wir uns auf das, was wir können. HIV-Test, HPV-Test, Hepatitis-Test, Gesundheitscheck. Notartermin. Recherche zu Erbschaftsfragen. Für meinen Mann: gesund leben.

Vieles, was Präzision verlangen würde, bewegt sich in gesetzlichen Grauzonen.

Laut Embryonenschutzgesetz ist künstliche Befruchtung nicht explizit verboten, die Bundesärztekammer hat allerdings eine Richtlinie verabschiedet, die die „assistierte Reproduktion“ lediglich bei verheirateten, also heterosexuellen, Paaren erlaubt. Auch nicht verheiratete Frauen können den Weg der künstlichen Befruchtung wählen. Voraussetzung hierfür ist, dass frau eine feste Partnerschaft mit einem unverheirateten Mann vorweisen kann und der Partner die Vaterschaft anzuerkennen bereit ist.

Gerade entschied das Bundessozialgericht, dass Krankenkassen 50% der Kosten und bis zu drei Versuche der künstlichen Befruchtung übernehmen dürfen. Mit der expliziten Einschränkung, dass dieses Gesetz nur für verheiratete Paare gilt – und somit wieder nur für heterosexuelle Menschen. Zusätzlich greift die Bedingung, dass Samen und Ei von eben jenem Paar kommen muss. Absurder Fakt: die Krankenkassen wollten diese Möglichkeit all ihren Versicherten, also auch unverheirateten und dadurch unter anderem auch lesbischen Frauen, zur Verfügung stellen. Das allerdings wurde durch das Bundessozialgericht verboten.

Dann Fakten: Mein Mann wird nicht in der Geburtsurkunde auftauchen. Das Kind wird von Geburt an nur einen leiblichen Elternteil haben. Schon während der Schwangerschaft kann das Kind durch meinen Mann zur Adoption freigegeben werden. Schon während der Schwangerschaft kann die Adoptionsanfrage der Lebenspartnerin der leiblichen Mutter gestellt werden. Acht Wochen nach der Geburt muss die leibliche Mutter zustimmen. Wenn die Adoption vollständig ist, was bis zu anderthalb Jahre dauern kann, hat mein Mann weder Rechte noch Pflichten.

Nichts.

Ein Kind, was nicht sein, nicht unser Kind ist.

Keine Unterhaltsklagen, keine Aufenthaltsklagen. Wir haben uns explizit gegen Co-Parenting entschieden. Alle haben ein Recht auf ihre eigene Familie.

Für mich, als Mutter, ist es so seltsam und unfassbar den Prozess zu beobachten, der das Kind durch alle möglichen und unmöglichen Rechtsschritte, schon vor der Zeugung, so weit es geht vom Vater entfernt. Mein Mann ist gelassen.

Dann die Frage: Was passiert, wenn die Mutter bei der Geburt oder in der Zeit bis zur Finalisierung der Adoption stirbt? Dinge, über die man nicht nachdenken will. Alles wird unscharf bei solchen Gedanken. Ich halte es kaum aus, meine Haut tut weh. Mein Bauch auch. Ich bin erleichtert und erschüttert gleichzeitig, dass ich mich damit nicht beschäftigen musste in der Schwangerschaft. Es ist so wahnsinnig wichtig. Um uns zu schützen. Um sie zu schützen. Ein Testament entsteht, was die nächste Beziehungsperson des Kindes bestimmt.

Es sträubt sich alles in mir, es auch nur auf zu schreiben.

Faszinierend, wie sich so engmaschig ein Sicherheitsnetz um die Idee eines Babys webt.

Eigentlich auch sehr schön.

Ich bewundere meinen Mann ein bisschen, wie er so nonchalant durch den Prozess surft. Und gleichzeitig ist es auch furchteinflößend. Wieso ist es so einfach? Stellt er sich die richtigen Fragen? Muss er das? Ist das ein männlicher Impuls, Sperma zu verbreiten? Und gleichzeitig ist es so seltsam, wie ich mein Kind als eine Art Besitz begreife. Mein Fleisch und Blut. Die kleine Außenstelle meines Körpers. Ist mein Impuls, das Kind nicht loslassen zu können besonders weiblich? Ein nicht minder furchteinflößender Gedanke. Ich versuche mich in meinen Mann hinein zu versetzen, aber weder meine Eier zu spenden noch Leihmutterschaft sind Konzepte, die ich mir für mich vorstellen kann.

Und ich fühle mich von mir selbst diskriminiert, bei dem Frauenbild, das sich von mir durch mich zeichnet.
Was bedeutet Blut ist dicker als Wasser? Bedeutet es überhaupt was?

Und meine Gedanken führen Krieg.

Ich komme immer wieder zurück zu der Frage, warum ich das nicht denken kann, selber zu spenden. Hat die Unterschiedlichkeit der Haltung etwas mit dem Geschlecht und nicht dem Gender zu tun? Liegt meine andere Haltung nicht ausschließlich am biologischen Vorgang. Ein Kind austragen und gebären ist der intimste Vorgang, den ich kenne – ein Mensch wohnt in einem Menschen. Natürlich fällt es mir schwerer, den Gedanken zu denken, das entstandene Kind dann nach 9 Monaten abzugeben.

Mein Mann onaniert in einen Becher, den er dann abgibt. Jeden Monat – immer zum Eisprung der werden wollenden Mutter. Das, was abgeben wird, ist auf jeden Fall nicht erkennbar lebendig, geschweige denn in der Lage eine zwischenmenschliche Beziehung eingehen zu können. Die zwei unterschiedlichen Beziehungen des Elternpaares zum Kind sind universal und nicht explizit männlich und weiblich. Auch bei einem lesbischen Paar kann nur eine Frau das eine Kind austragen.

Vielleicht ist das eine Chance, mich nicht schlucken zu lassen von meiner Mutterschaft und den Rollenzuschreibungen, die damit einhergehen und eine neue, eigene, andere Position zu erleben – involviert zu sein ohne involviert zu sein. Mir zu erlauben durch die Brille meines Mannes zu schauen und einen Geschmack von der Freiheit zu bekommen, die er spürt, der Großzügigkeit aber auch der Unabhängigkeit. Wenn ich genau genug hin fühle, merke ich diese Empfindungen auch in mir drinnen. Ich habe Lust, sie zu erlauben, gegen Erwartungen und Zuschreibungen.

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