Für eure erste Single “Not Real” habt ihr ein pastellfarbenes Video mit Spiegeln, Masken und Bergpanoramen gedreht. Was sagt uns das Video über den Song und euer zweites Album?
Es ist quasi eine visuelle Annäherung an das Hauptthema unseres Albums, das sich an den Grenzen der Realität bewegt. Ist das was du siehst, auch das was du anschaust? Ist dein Gesicht eine Maske? Die Pastellfarben passen gut zu der verträumten, gut gelaunten Grundstimmung des Songs – und zu der Prise Humor.

Habt ihr denn eine Antwort darauf gefunden, was nicht real ist?
Na ja, manchmal fühlt es sich ziemlich unreal an, in dieser Band zu sein. Einerseits haben wir hier den fetten Traumjob. Andererseits frage ich mich ab und zu, ob die Welt unsere Arbeit braucht.

Stealing Sheep ist also euer Vollzeitjob?
Aktuell ist das so. Cool, oder? Aber keine Sorge, ich habe schon viele Teller gespült.

Was habt ihr eigentlich vorher gemacht?
Da haben wir in unterschiedlichen Bands gespielt und studiert. Ich (Lucy) zum Beispiel Bildende Kunst. Aber durch Stealing Sheep habe ich mehr gelernt als in einem einzigen Kurs.

Ihr habt euch mit dem zweiten Album neues Wissen rund ums Aufnehmen angeeignet und die Platte selbst produziert.
Ja, rückblickend haben wir das Album selbst aufgenommen und produziert – obwohl uns das zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst war. Das war so: Wir haben Mikrofone ausgeliehen, um Demos aufzunehmen und währenddessen die Songs weiterzuentwickeln. Als wir dann aber unsere Lieder richtig aufnehmen wollten, mit festem Termin und so, haben wir festgestellt, dass wir unsere Demo-Versionen besser fanden. Die Demos hatten eine ganz andere Energie, weil wir lockerer waren. Die echten Aufnahmen sind also zu den falschen geworden

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Im Studio haben wir viel mit dem Rechner gearbeitet und gelernt mit der Software umzugehen. Unser Vorgehen hat sich auch darauf ausgewirkt, wie ich Schlagzeug spiele. Erst habe ich ein einfaches Muster eingespielt, wir haben es noch mal angehört und eine weitere Schlagzeugspur darübergelegt. Und dann das Gleiche noch mal. Wir haben gemeinsam herumprobiert, die Songs wieder auseinandergenommen und anders zusammengesetzt.

Was hat sich im Vergleich zu eurem ersten Album „Into The Diamond Sun“ von 2012 verändert?
Eigentlich haben wir schon vor zwei Jahren angefangen, an unserem zweiten Album zu arbeiten. Wir schrieben die Songs bei Becky zu Hause und hatten schon viel neues Material zusammen – haben es aber verworfen.

Wir waren auf der Suche nach etwas Neuem. Unser erstes Album war ein großer intuitiver Flow von Ideen, obwohl wir uns noch nicht so gut kannten und auch nicht wirklich wussten, was wir wollten. So frei arbeiten wir immer noch gerne, zum Beispiel als wir den Soundtrack des Science-Fiction-Animationsfilms „Le Planète Sauvage“ aus dem Jahr 1973 mit dem Radiophonic Workshop neu vertonten.

Bei der Arbeit an „Not Real“ war das anders: Wir wollten aktiv entscheiden, was passieren soll. Aus dem Konzept ‚more is more‘ ist ‚less is more‘ geworden – bis zu dem Punkt jammige Teile nicht mit auf die Platte zu nehmen.

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Deadlock

In dem Song „Deadlock“ singt ihr übersetzt „höre auf dich selbst und schau in dich hinein“. Was steckt dahinter? Gibt es nicht viele Dinge, die gerade nicht verändert oder gelöst werden können, indem man sich selbst analysiert?
Die Inspiration für diesen Song kam uns auf der Toilette. In unserem Studio war diese mit Bücherseiten tapeziert. Ein angeklebtes Kapitel hieß „Deadlock“. Darin wurde erklärt wie ein Motor funktioniert. Und dass bei zwei gegeneinander arbeitenden Kräften keine Bewegung entstehen kann. Bei dem Song haben wir den Motor als Metapher für unsere Gedanken verwendet – die erst mal analysiert werden wollen. Denn dort kann Veränderung zuerst stattfinden. Grundsätzliche äußere Gegebenheiten wie das Wetter muss man akzeptieren, aber Gefühle und Gedanken können verändert, herausgefordert oder geleitet werden.

Ihr erwähnt als Einflüsse unter anderem Künstlerinnen wie die Achtziger-Camp-Connaisseurin Grace Jones oder Delia Derbyshire, eine der ersten Produzentinnen von elektronischer Musik. Was begeistert euch an ihnen?
Sie haben uns gezeigt, dass Konventionen unnötig sind. Und auch die Angst, anders zu sein. Wir sollten selbst bestimmen, wie wir wahrgenommen werden wollen. Jones und Derbyshire werden außerdem nicht nur von uns hochgeschätzt, sondern haben bahnbrechende akustische und visuelle Arbeiten abgeliefert.

Wie steht es um die künstlerische Szene in Liverpool, seid ihr da vernetzt?
Das Studio war im Zentrum von Liverpool in einem großen Haus, in dem es ein Café, eine Bar, verschiedene Bühnen gab und immer auch viele Bekannte und andere KünstlerInnen abhingen. Wir sind Teil einer sehr lebendigen Szene. Schon viele Leute haben etwas zu Stealing Sheep beigetragen: Musikvideos, Styling, Producing; Puppen wurden gebastelt, Kleider genäht oder auf dem Album oder bei Konzerten mitgespielt. Wir veranstalten auch eine Partyreihe die sich „Mythopoeia“ nennt und eine riesige Kollaboration ist. Das ist toll.

Live-Video zum Hit “Shut Eye” der Vorgängerplatte, den Stealing Sheep zusammen mit FreundInnen im Garten ihres Lieblingsklubs Kazimier in Liverpool spielen:

Das zweite Album “Not Real” von Stealing Sheep ist bereits auf Heavenly Recordings via [Pias] Cooperative erschienen.