Von Tove Tovesson

Nett sein kostet nichts, heißt es. Lächle, und die Welt lächelt zurück! Oder sie quatscht dich zumindest nervig auf der Straße an, weil dein Lächeln natürlich eine Einladung für Belästigung ist. Also lieber nicht so wahllos lächeln. Lächel doch mal, fordert ein umsichtiger Fremder dich dann bald auf. Denn es kostet dich ja nichts, die Erwartungen anderer zu antizipieren, außer Kraft.

Kostenlose Sorgearbeit von Frauen und Femmes? Diesmal nicht. © Tine Fetz
Kostenlose Sorgearbeit von Frauen und Femmes? Diesmal nicht. © Tine Fetz

Viele Verhaltensweisen, die ich grob unter „nett sein“ verbuchen würde, sind stark weiblich gegendert, das heißt, ich (und leider nicht nur ich) verbinde dieses Verhalten unsinnigerweise eher mit Menschen, die als Mädchen oder Frauen gegendert werden. Das heißt, von ihnen erwartet die Gesellschaft eher als von Männern (sorry, mehr Geschlechter gibt es in diesem Fall nicht) eine bestimmte Art des Zuhörens und Reagierens, der Fürsorglichkeit, der Zugewandtheit bis zum mütterlichen Märtyrerinnentum. Ganz viele sehr anschauliche Beispiele dafür, dass und wie Frauen diesen sozialen Anrufungen folgen, gibt es in einem lebensverändernden Text, aus dem ich auch den Begriff Emotional Labor, also emotionale Arbeit, für dieses vermeintlich weibliche Verhalten übernehme. Emotionale Arbeit heißt nicht, dass ich auf emotionale Weise arbeite (HEUL!), sondern ich leiste emotionale Arbeit, wie ich auch körperliche Arbeit leisten könnte.

Den Begriff der Arbeit zu verwenden, kontrastiert ein Verständnis von Fürsorge, das diese als weibliche Tugend naturalisiert und im gleichen Atemzug ein Stück weit entwertet. Weiberkram. Dem so gedachten „Wesen der Frau“ nach sind Frauen einfach so, mit der zweiten Betonung auf einfach. Es ist für sie keine Anstrengung, daher auch keine Leistung. Männer, bekanntlich das Gegenteil von Frauen, sind dementsprechend von Natur aus nicht so nett und fühlig, weshalb es ungerecht wäre, hier nicht mit zweierlei Maß zu messen. Unverständlich, warum sich seine Freundin von ihm trennte, obwohl er sie doch niemals geschlagen oder betrogen hat! Unverständlich, warum er noch nie eine Freundin hatte, obwohl er sie doch niemals schlagen oder betrügen würde! Diese undankbaren Schlampen.

Solche Dinge sagen nicht nur sexistische Amokläufer, sondern auch ganz normale Exfreunde. Seine Partnerin nicht wegzumördern oder zu betrügen, zählt allerdings noch nicht zu Emotional Labor, sondern eher zu den Basics menschlichen Miteinanders, auch wenn selbst das nicht sicher sitzt. Was für eine Leistung ist es, nicht gewalttätig zu sein? Für männlich gelesene Menschen: Respekt! Für alle anderen: Hm ja, normal?

Aber während etliche Männer sich erfolgreich (!) an solchen (für die anderen, haha) existenziellen Hürden abrackern, ohne je ein Wort des Dankes zu hören, rollen schon die nächsten Ansprüche heran: sich an Geburtstage erinnern, den Müll unaufgefordert rausbringen, bei einer Familienfeier auch mal selbstständig den Abwaschberg angehen, eine neue Klopapierrolle aufhängen. Ja, das sind Kleinigkeiten, die alle nur sagen: Ich erkenne, dass es andere Menschen gibt und dass andere Menschen nicht meine Sidekicks sind. Hilfreich wäre sicher, wenn dieser Grundsatz nicht an eine arbiträre Hälfte der Menschheit gerichtet würde.

Zugegeben, das mit der Resozialisation ist ein zähes Geschäft. Und es mag der Einwand kommen, dass wir doch nicht mehr in den Fünfzigern leben (Glückwunsch an alle, die einen signifikanten Unterschied vernehmen) oder dass Männer dafür immer noch so quasi das Geld ranschaffen, also wie in den Fünfzigern. Gut. Schafft das Geld ran! Pay up! #GiveYourMoneyToWomen heißt der von Lauren Chief Elk-Young Bear (@ChiefElk) mit @cheuya, @BardotSmith und @YeoshinLourdes gestartete Hashtag. Die Idee: Frauen und insbesondere marginalisierte Frauen leisten Emotional Labor nicht mehr selbstverständlich gratis und unlimitiert, sondern bewusst und gegen Bezahlung. Jeder, dessen Antikapitalismus an ausgerechnet dieser Stelle zuckend erwacht, möge innehalten und sich fragen, wieso. Warum sollen Frauen, die disproportional eine bestimmte Arbeit umsonst leisten, hierfür keine Bezahlung von Leuten verlangen, die andere Arten der Reziprozität verweigern? Ein Paradebeispiel hierfür ist Sexarbeit und ja, wirklich, wieso sollte überhaupt noch irgendwer mit heterosexuellen Männern gratis Sex haben, so als Prämisse?

Echte Menschen erledigen Emotional Labor natürlich nicht so schablonenhaft, wie das binäre Denken von Cisgeschlechtlichkeit mit all seinen Implikationen es suggeriert. Der Begriff schafft ein grobes Analyseinstrument für soziale Interaktionen. Benutze ich bestimmte Menschen ständig in dieser Hinsicht? Werde ich ausgenutzt, gibt es Gegenseitigkeit? Und er legitimiert das diffuse Gefühl von Erschöpfung, das ich in Bezug auf manche Menschen haben kann, wenn diese nur nehmen, nehmen, nehmen. Emotional Labor zu leisten erfordert kein angeborenes Talent, sondern ist immer Aufwand, der nicht zu gering geschätzt werden sollte. Emotionale Arbeit hält die Welt am Laufen.

Die Schöpferinnen von #GiveYourMoneyToWomen geben in diesem Interview näher Auskunft über ihre größere Idee, mit direkter Bezahlung von marginalisierten Frauen Geschlechterungerechtigkeit entgegenzuwirken. Wie kann #GiveYourMoneyToWomen konkret aussehen? Du hast von Aktivistinnen, die unbezahlt auf Twitter schreiben, etwas gelernt, schreibst eine Kolumne darüber und kaufst ihnen etwas von ihrer Wunschliste. Du hast einen anständig bezahlten Job zu vergeben und gibst ihn einer Frau. Du hast kein Geld, brauchst irgendetwas, fragst aber keine Frau.

Der Appell richtet sich aber nicht nur an die Empfänger*innen von Emotional Labor, sondern will Emotional Labor als Arbeit sichtbar machen und Arbeiter*innen ermutigen, ihre Arbeit zu reflektieren und zu dosieren. Es geht nicht darum, sich männlich konnotiertes Alternativverhalten anzueignen, sondern schlicht keine Perlen vor die Säue zu werfen. Der oben genannte Text über Emotional Labor ist dabei ein schöner Lackmustest, um einzuordnen, in welcher Relation jemand zu dieser Art von Arbeit steht.