Von Sabine Rohlf

Assata Shakur ist die erste Frau auf der Liste der „meistgesuchten Terroristen“ des FBI, für ihre Auslieferung sind zwei Millionen Dollar Belohnung ausgesetzt. Sie war Mitglied der Black Panther Party und der Black Liberation Army. 1977 wurde sie wegen Mordes an einem Polizisten verurteilt, obwohl die Beweislage mehr als dürftig war. Sechseinhalb Jahre lang war sie in Haft, bevor sie 1979 aus einem Hochsicherheitsgefängnis befreit wurde. Seit 1984 lebt sie als politischer Flüchtling in Kuba.

Was für ein Leben – Shakur schrieb es schon den 1980er-Jahren nieder. 1988 veröffentlichte Assata Shakur ihre Autobiografie in London, 1990 erschien diese erstmals auf Deutsch. Der Laika Verlag bringt sie nun in einer Neuübersetzung und mit einem Vorwort von Angela Davis in die Buchläden. Neu sind auch viele hilfreiche Anmerkungen mit Hintergrundinformationen über Schwarzen Widerstand und Rassismus in den USA.

Assata Shakur © Filmstill, Laika Verlag

Shakurs Erinnerungen beginnen im Krankenhaus, wo sie schwer verletzt nach jener Schießerei lag, die zur Mordanklage führte. Sie war auf einem Highway von der Polizei angehalten worden, die Begegnung endete für ihren Freund Zayd Shakur und einen der Polizisten tödlich. Ein weiterer Polizist und Shakur wurden lebensgefährlich verletzt. Im Vorwort zur Autobiografie schildert Angela Davis, wie sie selbst nach einer Benefizveranstaltung für Assata Shakur in eine Polizeikontrolle geriet und wie riskant diese Situation war. Auch heute sind Schwarze Menschen bei Begegnungen mit der US-Polizei in Lebensgefahr. Was genau in Shakurs Fall geschah, nach der zu diesem Zeitpunkt gefahndet wurde, ist nie endgültig geklärt worden.

In ihrer Autobiografie berichtet Shakur abwechselnd von ihrer Zeit im Gefängnis und vom Leben davor. Sie erzählt von ihrer Kindheit in South Carolina in den 1950ern, als es Strandabschnitte (oder gar keinen Meerzugang) nur für Schwarze, nach „Rassen“ getrennte Schulen, Parkbänke und Toiletten gab. Sie erzählt von ihren Großeltern, die versuchten, sie vor Demütigungen zu beschützen, und von Schwarzen Schulkindern, die sich gegenseitig als „hässliche N*“ beschimpften.

In New York, wo Assata Shakur ihre Jugend verbrachte, war der Rassismus verdeckter, aber nicht weniger grausam. Sie beschreibt die Herablassung durch Lehrer*innen und Chefs, analysiert die Ausschlüsse und Wertungen in Medien, Kultur und Politik und zeigt, nicht zuletzt an sich selbst, internalisierte Gewalt und Selbsthass auf.

Ende der 1960er-Jahre tritt Assata Shakur an der Uni in Kontakt mit der Bürgerrechtsbewegung. In dieser Zeit hört sie auf, sich die Haare zu glätten, und tauscht ihren „Sklavennamen“ Joanne Deborah Byron gegen den selbstgewählten afrikanischen. Sie stößt zur Black Panther Party, für die sie unter anderem an Universitäten aktiv ist, und arbeitet auch mit Kindern aus Schwarzen Communitys. In ihrem Buch legt sie ihre politische Entwicklung und Entscheidungen dar, die sie Anfang der 1970er schließlich in die Illegalität der Black Liberation Army führten.

Die Passagen über ihre Inhaftierung und Prozesse beschreiben einen offen rassistischen Strafvollzug und ein entsprechendes Justizsystem. Misshandlungen, dreckige Zellen, fehlende Gesundheitsversorgung, physische und psychische Quälerei, Schikane. Shakur schreibt über ihre eigene Isolationshaft und über Schwarze Mithäftlinge, die wegen einer Packung geklauter Windeln monatelang eingesperrt wurden. Von gefälschten Beweisen, voreingenommenen Geschworenen und unehrlichen Belastungszeugen bei ihren Prozessen. Sie wurde wegen mehrerer Morde und Banküberfälle angeklagt, die Verfahren wurden entweder eingestellt oder endeten mit einem Freispruch. Wegen des angeblichen Mordes auf dem Highway wurde sie schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt.

Assata Shakur: Assata. Eine Autobiografie.
Aus dem Amerikanischen von Jutta Nickel. Laika Verlag, 368 S., 28 Euro

Assata Shakur spricht ihre Leser*innen sehr persönlich an, am Ende der Kapitel finden sich immer wieder Gedichte, in die sie ihre Gewalterfahrungen und Hoffnungen überführte. Sie erzählt anschaulich, präzise, eindrucksvoll, aber immer sachlich. In manchen Punkten bleibt sie allerdings auch vage – ihre spektakuläre Befreiung etwa klammert sie aus. Gründe nennt sie nicht, aber es hat sicher damit zu tun, dass sie kein Märchen erzählt, sondern eine wahre Geschichte. Und dass manche der Beteiligten bis heute gefährdet sind. Wie auch die Verfasserin selbst.