Die Schneemassen haben mich fest im Griff. An einem verschlafenen Wochenende mit wenigen kurzen Episoden außerhalb meiner Vierwände und literweise Tee an der warmen Heizung stellt sich plötzlich und unverhofft etwas wie Ruhe ein. Zurückgelehnte Netz- und Zeitungslektüre, die Suche nach neuer Musik in Youtube für einen perfekten Ausdruck der aktuellen Sitzposition, nachdenken. Mit zarten Zwanzig bin ich glücklicherweise zu jung, um über atemraubende Schnelligkeiten des Alltags, der Arbeitswelt, des Lebens oder der Globalisierung zu philosophieren. Oder mich über die Kurzlebigkeit der Kommnikation im Internetzeitalter auszulassen, die Thematik bleibt ebenso auf Distanz mit Erfahrungen wie mögliche Komplikationen eines Frauenlebens zwischen Kind und Karriere.

Es ist unwahrscheinlich, mich in Jahrzehnten über die jungen Leute und das Internet schimpfend im Lehnstuhl wiederzufinden, die Sache mit Kind und Kegel steht auf einem anderen Blatt Papier. Ein auf die Spitze getriebener Zyniyms der Moderne beschriebe die aktuelle Phase als Zwischenstadium der sektperlenden Unbeschwertheit nach den Kämpfen eines Teenagerdaseins und vor der Mutation zur vollbeschäftigten Super-Mom. Auch ohne die überspitzte Zwanghaftigkeit der These zu teilen sehe ich mich gezwungen, den Zustand als Entscheidungsfaktor für Lebensentwürfe zu akzeptieren – einer der Gründe, warum es sich lohnt, den Text von Arianna Huffington (Huffington Post) und Cindi Leive (Glamour) auf huffingtonpost.com genauer zu lesen. Huffington und Leive halten hier den ihrer Meinung nach besten Neujahrsvorsatz für Frauen bereit: mehr schlafen. Die enormen Anforderungen, die viele Frauen täglich erfüllen, um durch härtere Arbeit gegenüber männlicher Konkurrenz dieselben Chancen zu erhalten, gepaart mit häuslichen Belastungen, die vor allem Singlemütter ohnehin allein in den Griff kriegen müssen, macht ausreichend Schlaf für Huffington und Leive zum „next feminist issue“.

Des Weiteren fand sich letzte Woche auf feministing.com ein Interview von Big Think mit der Autorin Jessica Valenti in dem sie über ihren größten Karrierefehler spricht: in der Aufregung einer unbegrenzten Netzöffentlichkeit sich zu selten Zeit genommen zu haben, um über die Dinge nachzudenken, die sie ins weite Feld des www posaunt. Die Frage an sich selbst, was man von sich selbst und dem Schutzraum vertrauter Küchengespräche in virtuellen Schaufenstern auszustellen bereit ist, ist mir allzu bekannt. Aufblitzende Ideen inmitten des üblichen Chaos zwischen Vorlesung, Bibliothek, Nebenjob und Geschirrbergen in der Spüle sitzen kribbelnd in den Fingerspitzen, tiefere Überlegungen verdrängt durch die Einfachheit des Push-Button-Publishing. Gelungene Kommunikationen funkelnder Gedankensprünge in Textform liegen selten zwischen Tür und Angel, aber allein das Wissen darum schützt nicht vor der Versuchung. Die Lösung vermute ich zwischen einem Glas Wein, spätabendlicher Stille und einer Mütze Schlaf – das alles in regelmäßigen Abständen zu bekommen wird im Klang einer kakophonen Zukunftsmusik von Jobs und Kinderzimmern zum wesentlich härteren Kampf um den Moment.

Anfänge könnten gemacht werden indem Eltern ohne zermündendes Multitasking ihre Kinder betreut wissen, doch der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab 2013 wackelt. Die Kommunen haben kein Geld und Merkels Mädchen hält für Männerförderung das Grinsen einer aalglatten Karriere am rechten Rand in die Kamera. Reaktionäre Projekte neben Fleißarbeit an einer privaten Familienplanung als maximale PR nehmen Kristina Köhler vollkommen in Beschlag. Vielleicht sollte man ihr den next feminist issue ans Herz legen – in der Hoffnung auf ausgeruhte Erkenntnisse.

soundtrack: +++ Fink – Biscuits +++ Bernadette LaHengst – Hunger +++ Beirut – Elephant Gun +++ Cat Power – Lived in Bars +++

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