Ein Gratisbad im Fluss, diskursive Kunst direkt am See oder Knutschen im Botanischen Garten – die „Little Big City“ Zürich kann posh und exklusiv sein, bietet aber auch grandiose Möglichkeiten für alle Nicht-Snobs.

Unsere Reiseführerin Stefanie Sourlier , 32, ist Schriftstellerin und lebt in Zürich sowie zeitweise in Berlin. Ihr erster Erzählband „Das weiße Meer“ erschien 2011 in der Frankfurter Verlagsanstalt.

Seit wann und warum lebst du in Zürich?
Ich bin in Zürich aufgewachsen und lebe nun nach einigen Jahren in Berlin wieder hier. Zürich mag ich, weil in dieser doch sehr überschaubaren Stadt kulturell recht viel passiert, man mit dem Fahrrad überall hinkommt, die Stadt im Sommer fast südländisch wirkt und man von hier aus nach wenigen Stunden Zugfahrt schon in Italien ist.

Was sollte man bei einem Besuch auf jeden Fall tun?
Unbedingt zu empfehlen ist im Sommer ein Bad im *Zürichsee oder der *Limmat, z. B. in der Gratisbadeanstalt *Unterer L etten (Wasserwerkstr. 141). Schön und ruhig ist das *Frauenbad, ein Jugendstilgebäude mitten in der Stadt. Ein würdiger Ersatz ist im Winter die Sauna des *Seebads Enge (Montag Frauentag).

Wo kann man gute Platten kaufen?
Der beste und wahrscheinlich älteste Plattenladen ist *RecRec (Rotwandstr. 64). *16Tons (Anwandstr. 25) verkauft neben Platten und Singles auch Secondhandkleider und -möbel.

In Secondhandkleidung stöbern?
Neben 16Tons auch bei *Fizzen oder *Razzo im Niederdorf oder in einem der *Brockenhäuser (z. B. Neugasse 11). Sehr nett ist auch der *Flohmarkt (Kanzleiareal), immer samstags zwischen 7 und 16 Uhr, nachmittags trifft man sich da zum Kaffee vor dem *Xenix.

Ein Buch lesen?
Am Seeufer, im Rietberg-Park oder im Alten Botanischen Garten *Zur Katz (Sihlstr. / Talstr.), bei schlechtem Wetter im *Café Volkshaus, da gibt es auch eine gute Buchhandlung (*Stauffacherstr. 60). Meine liebste Buchhandlung ist jedoch *Calligramme (Häringstr. 4), da stapeln sich die Bücher bis zur Decke.

Kunst sehen?
Rund um die Langstrasse haben in den letzten Jahren einige kleine Galerien eröffnet, z. B. *Perla-Mode / Message-Salon (Langstr. 84), *Les Complices (Anwandstr. 9) oder *Galerie Freymond- Guth (Brauerstr. 21). Sonst im Kunsthaus, in der *Kunsthalle im L öwenbräu-Areal, und natürlich in der *Shedhalle direkt am See.

Interessante Menschen zum Reden oder Küssen treffen?
In der *Totalbar (Tellstr. 19) oder der *Bar63 (Rolandstr. 19). Ob es gleich mit dem Küssen klappt, kann ich jedoch nicht garantieren, die Zürcherinnen und Zürcher haben den Ruf, eher distanziert zu sein.

Was machst du, wenn du nichts zu tun hast?
Ich gehe ins Kino: am liebsten ins *Xenix und *Filmpodium, für neue Filme ins *RiffRaff, schön ist auch das *Uto (Kalkbreitestr. 3), eines der ältesten Kinos in Zürich.

Das beste Ziel für einen Kurzausflug?
Auf dem Hausberg *Üetliberg kann man das Nebelmeer der Stadt unter sich lassen, auf dem *Planetenweg bis Pluto wandern und mit der *Seilbahn Felsenegg hinunterfahren. Faulere Menschen machen eine Schifffahrt auf dem Zürichsee.

Dein Lieblingscafé?
Das Piazza am I daplatz ist im Sommer schön zum Draußensitzen, den besten Espresso gibt es im *Stanza (Bleicherweg 10). Das *Poushe, ein bulgarisches Strudelhaus (Ämtlerstr. 86), wird von einer Mutter und ihren Töchtern geführt, hier gibt es leckere süße und salzige Strudel.

Deine Lieblingsbar?
Die *Bar63 (Rolandstrasse 19), nicht nur, weil ich da arbeite. Leicht schummrig mit einem langen Holztresen und über 60 Rumsorten! Auf Platz 2 kommt deren Schwesternbar, die *Totalbar, auf Platz 3 dann die *Olé Olé Bar (Langstr. 138) mit alteingesessener Chefin und Jukebox.

Dein Lieblingsclub?
Das *Helsinki (Geroldstr. 5), das ist jedoch eher ein Konzertlokal. Weitere gute Veranstaltungsorte sind auch *El L okal und *Exil. Manchmal gehe ich in den Club *Zukunft (Dienerstr. 33). Sonst gibt es auch öfter illegale Partys in besetzten Häusern.

Dein Lieblingsrestaurant?
Leider musste mein Liebling, der Tessiner Keller, vor einem Jahr einem Neubau weichen; sonst mag ich das *Cinque (Langstr. 215), einen Italiener mit Schwarz-Weiß-Fotos und Fußballwimpeln an den Wänden und sehr leckerer Pasta. Essengehen ist jedoch ein teurer Spaß in Zürich.

Woran haben FeministInnen in deiner Stadt Freude?
An der Frauenredaktion „Hälfte des Äthers“, die seit über 25 Jahren feministische Radioprojekte macht. Außerdem lebten schon immer eine Menge interessanter und eigenwilliger Künstlerinnen, Musikerinnen und Schriftstellerinnen in Zürich, von Annemarie Schwarzenbach über die Punkband Kleenex bis zu Melinda Nadj Abonji und Laura Koerfer. Die AutorInnengruppe NETZ organisiert monatlich Lesungen und andere Veranstaltungen im *Theater Neumarkt. Ein gutes Netzwerk zur Stadtentwicklung in Zürich ist das stadt.labor, außerdem gibt es mehrere Gruppen, die sich für MigrantInnen und Sans-Papiers einsetzen, wie die *Autonome Schule (Hohlstr. 170) oder der *Infoladen Kasama (Militärstr. 87a).

Protokoll: Sonja Eismann